Gerd Robert Baumert

18. Februar 1948 – 26. Juli 2017

Gerd Robert Baumert
Gert Robert Baumert in Lecce

Gerd Robert Baumert
Gert Robert Baumert in Lecce

Gerd Robert Baumert
Gert Robert Baumert, zum letzten Mal in Bad Säckingen

Gerd Robert Baumert
Gert Robert Baumert, zum letzten Mal in Bad Säckingen

Photos: alle Rechte bei Dieter Emil Baumert und VG Bild Kunst
Texte: alle Rechte bei Dieter Emil Baumert und VG Wort

Zum Tod von Gert Robert Baumert

Mail 30. Juli 2017 von Dieter Emil Baumert, Manduria an Arnold Becker, Bad Säckingen zum Tod von Gert Robert Baumert, geboren am 18. Feburar 1948 in Säckingen – gestorben am 25. Juli 2017 in Alt Jabel

Ja, mein Bruder ist am Dienstag den 27. Juli 2017 in seinem Haus in Alt-Jabel gestorben.

Er hat ja seit vielen Jahren viele Krankheiten gehabt. Ich weiß gar nicht, mit was es angefangen hat. Vielleicht mit einem Autounfall im Sommer des Jahres, als unsere Mutter starb – Stanley Kubricks 2001 Odyssee im Weltraum.

Danach konnte er nicht mehr richtig heben und damit auch nicht mehr seinen wunderschönen Laden in Hamburg – die Galerie Midi – so führen, wie er es wollte, meistens allein mit zeitweiliger Hilfe anderer, auch seiner Lebenspartnerin Christine Schatz – sie hatten sich in Säckingen kennen und lieben gelernt.

Nach vielen Jahren, in denen er als Architekt gearbeitet hatte, unter anderem in der Schweiz, hatte er nach dem Tod unseres Vaters, der 1969 dreiundsechzigjährig an Magendurchbruch verstarb, mit einem Wehrer Kollegen die unbearbeiteten Fälle des Bauingenieur Ernst Emil Baumert zu Ende gebracht. Später arbeitete er in Hamburg in einem Architektenteam – zerstritt sich aber bei der Frage um eine sozialeren Wohnbau mit dem Büro und gab seine Profession auf.

Eigentlich wär er gerne in die Provence gezogen, nachdem er schon in ihrem Weinladen G & C im Schanzenviertel – ja genau dieses – in den Achtzigern viele provencalische Weine selbst in Fässern importiert und dann eigene Hausfüllungen gemacht. Aber seine Freundin, die lange Jahr als Chemikerin in Laboren gearbeitet hatte und dann den Weinladen gemeinsam mit Gert führte, war keine Frau des Südens. Zu warm.

Als der Besitzer des Weinladens sah, wie toll der Laden lief, wollte der ordentlich absahnen und die Miete unordentlich erhöhen. Da hatte er bei Gert Robert aber den falschen erwischt. Der machte flux den Laden zu, verkaufte den Wein gut aus und gründete dann die Galerie di Midi am Hafen von Hamburg, unweit des neu gebauten Ladenkaufhauses …, in dem der britische Designer … sein wunderschönes Kaufhaus machte.

Gert führte im Laden alles Schöne aus der Provence, neben Weinen Seife, Stoffe, Möbel, Geschirr etc. etc. Für den Laden konnte bzw. musste er auch oft in die Provence fahren zu seinen Produzenten und auch zu seinen alten Weinfreunden – Winzern. In Marseille nahm er sich eine Wohnung.

Kurz nach der Wende fanden Gert und Christine im Osten, in Alt Jabel ein kleines Häuschen, welches – heruntergekommen, wie die Dorfhäuser im Osten meist waren – sie billig erwerben konnten. In jahrelanger Arbeit haben sie das Haus zu einem Schmuckstück gemacht – Christine ist eine fleißige und dadurch begnadete Gärtnerin (so ganz im Gegensatz zu mir). In Hamburg hatten sie noch ihre alte Wohnung, die über Jahr und Tag günstig blieb – da war zum Glück kein geldgieriger Vermieter des Mittelwegs, jener schönen Straße, in der heute zum Beispiel die Hamburger Niederlassung meiner Bank – der GLS Gemeinschaftsbank ihr Domizil hat.

Die Galerie du Midi lief gut und es passierte, was passieren musste: Wieder sah der Vermieter Dollarzeichen, wie dereinst bei Dagobert Duck. Gert hatte auf eigene Rechnung die Lagerräume in der Großen Elbstraße 43 umgebaut, am Ende auch eine große neue Glastüre einbauen lassen, die die ganze Vorderseite umfasste. Ob es wieder der Baumert’sche Dickschädel, ob es Stolz war oder kluge Rechnung. Die Galerie konnte er nach dem Unfall nun so nicht mehr alleine führen. Die zeitweise Zusammenarbeit mit einer Frau scheiterte, weil diese nicht die Zuverlässigkeit hatte, die für dieses Gewerbe notwendig war.

Also war wieder Ausverkauf angesagt.

Danach ließ er sich von Firmenleuten, die er aus der Hamburger Szene kannte, überzeugen, ein großes Restaurant zu eröffnen. Im Pariser Stil der Bistros. Plötzlich war er für einen riesen Stab von Mitarbeitern verantwortlich, investiere auch hier wieder viel in Laden- und Kücheneinrichtung. Mit großer kleiner Küche bekam er bald einen Namen – als wir unser Haus in Bad Säckingen verkauften, stellte unsere Lörracher Maklerin ihn dem Notar vor mit der Beschreibung: „Das ist Herr Baumert, ein Großgastronom aus Hamburg“. Ich war nie dort, irgendwie ist das an mir vorbeigegangen, vielleicht passt es mir auch unbewusst nicht. Aber ich glaube nicht, dass das der Grund war.

Irgendwie ging es dann damit schief, wahrscheinlich waren die alten Freunde eben auch die Erben von Donald, die sich gerne mit einem tollen Bistro schmücken wollten, aber am Ende des Tages auch ihre saftige Miete kassieren wollten. Er war offensichtlich nicht an solche Mäzene gekommen, wie zum Beispiel den Hamburger Jan Phillipp Reemtsma.

Im Osten, also der ehemaligen DDR, mietete er sich dann noch eine Dorfkneipe und versuchte dort, französisches Flair mit guter Küche und verantwortungsvollen Produzenten zu installieren. Die Hamburger kamen gerne mit dem Fahrrad vorbei, aber für den dauerhaften Umsatz reichte das nicht. Er war halt nicht im Elsass oder im Schwabenland, sondern in einem Landstrich aus dem der Broiler und andere eher derbere Kost gegessen wurde.

Die Hamburger Bank machte Druck, das Haus in Alt Jabel hatte sicherheitshalber Christine gekauft, sodass dies dem Zugriff der Bank entzogen war. Als wir dann unser Grundstück in Bad Säckingen verkaufen konnte, ging ein Großteil seines Erbes an die Bank, ein kleiner Teil an Christine. Schon damals litt er an Nierenproblemen und er musste wöchentlich zur Dialyse – später drei Mal die Woche. Dann kamen Krankheiten dazu, am Tag der letzten Bundestagswahl erlitt er einen Schlaganfall – zum Glück kamen die Nachbarn vorbei, die ihn abholen wollten zur Wahl. Er musste sich dann wieder körperlich und geistig aufbauen, wieder Sprache lernen und und. Ein zäher Lebenswille ließ ihn viele Kämpfe bestehen. Letzten Winter hatte Christine ihm noch ein Elektrofahrzeug gekauft, mit dem er seinen Radius erweitern konnte.

Aber er sollte nicht lange daran Freude haben. Es kam dann ein Zusammenbruch. Im Krankenhaus stellten die Ärzte eine Entzündung im Bein fest, konnten sie aber mit Antibiotika nicht in den Griff bekommen. Zu viel Antibiotika hatte er wahrscheinlich all die Jahre schon bekommen. Die Ärzte im Krankhaus stellten fest, dass das Bein nicht mehr durchblutet wurde. Die Thrombangitis, eine Gefässerkrankung in den Beinen, schritt voran. In der linken Hand hatte er bereits Nekrosen, die typisch sind für dieses Krankheitsbild. Die Erkrankung kam nicht vom Rauchen, was er vor vierzig Jahren schon aufgegeben hatte, sondern von der Diabetes und der Nieren- und Herzsinsuffizienz. Die letzten Monate hatte er nur noch eine Herzarbeit von zehn Prozent. Es gab da keine Rettung. Eine Beinamputation wäre möglich gewesen – die wollte Gert aber nicht. Die Krankheit griff auf andere Organe über, die letzten Tage konnte er schon auf dem rechten Auge nicht mehr sehen – es war schwarz. Ein Gruß aus der Anderwelt.

Nachdem der Ethikrat die Aussichtlosigkeit attestiert hatte, wurde er auf Christines Wunsch mit einem Palliativteam nach Hause entlassen. Dort bekam er noch Morphium. In der Nacht zum Mittwoch ist er dann gestorben. Christine und eine Krankenschwester haben ihn dann gewaschen und ihm die Kleider angezogen, die er in letzter Zeit gerne trug. Einen Tag konnte Christine ihn noch im Haus lassen, dann wurde er vom Bestattungsunternehmen zum Kremieren geholt. Er hatte, laut Christine, ein ruhiges sanftes Lächeln auf seinen Lippen. Es geht ihm nun gut – dort, wo er ist. Im September wird es in einem Friedwald in der Nähe von Alt Jabel eine kleine Zeremonie geben.

Er war ein begnadeter Familienphotograph – all meine Erinnerungen an die Familie stammen von ihm, von seinen vielen, oft witzigen, skurielen Photos. Es lag sicher an ihm, dass ich das Handwerkt des Photographen bei Rolf Forstmeyer in Säckingen erlernte. Meinem politischem Engagement stand er offen und freundlich unterstützend gegenüber. Meine Liebe zu Literatur verdanke ich auch ihm und seinen Geschenken der Gedichtbände von Günter Eich und den gesammelten Werken von Bert Brecht. Die Familienkonstellation des großen Bruders verlief für mich, den kleinen Bruder, natürlich nicht konfliktlos – aber c’est la vie. An Herausforderungen wachsen wir.

So gedenken wir ihm heute und wünschen wir allen Freunden und Freundinnen, die gingen: gute Reise.

Dieter Emil Baumert
28. Juli 2017
Korrigiert am 3. August 2017
Und redigiert am 22. Juni 2023

Kurze Beiträge von Gerd Robert Baumert

Gert Robert Baumert war lange Jahre auch als Schreibender tätig. In Hamburg verfasste er Gastronomiekritiken, bei der Süddeutschen Zeitung beteiligte er sich an einem Krimischreibwettbewerb. Später dann, als ihn die Jäger der Bank im Visier hatte, bemühte er sich darum, keine Spuren im Netz zu hinterlassen. Aber so vorsichtig er war, nicht vorsichtig genug. Hier eine Auswahl:

Von gert baumert aus Hamburg
Am 31. Jan 2006

Der Vorschlag von Anna Arthur (30.1.)verdient Beachtung: an allen Spieltagen in Hamburg massenhaft bettelnde Menschen in die Innenstadt
wenn vor allen Läden auch gutgekleidete Hamburger stehen, die die Hand aufhalten, muß den Damen und Herren endlich ein Licht aufgehen. Von Anna Arthur aus Hamburg

Am 30. Jan 2006

Ein Bettelverbot kann nie und nimmer hingenommen werden, es wäre eine absolute Spitze des Hamburger Eisgebirges aus Unmenschlichkeit, Repression und burgeoiser Menschenverachtung. Wenn WM, Konsum, Handelskammer und Schicki Micki wirklich alles sind, was in Hamburg zählt, dann wird es dringend Zeit, sich zu organisieren. Alle als BettlerInnen auf die Straße! Hamburg für ALLE!

Hintz und kunz hamburg forum
von gert robert baumert aus hamburg am 03.06.2005 19:40

liebi schmidt’s soli josef
des isch jo ne rechti websiete
s’lauft eim so richtig s‘ wasser
im muul zäme
s’isch grad ne grund wiedr emol
uf säckinge z’fahre un bürli hole

herzlichi grieß usm norde vom
gert

Aus: gaestebuch schmidt-baeckerei bad saeckingen

In Ottensen führte Gert Robert Baumert das Bistro Après Midi und zelebrierte dort seine Liebe zu Frankreich. Die Auswahl an Weinen war mit 100 für ein Lokal dieser Art und Größe ungewöhnlich.

* 17.08.2005 FRANKFURTER RUNDSCHAU Angst vor dem Pütt – Braunkohleabbau im norddeutschen Flachland? Probebohrungen der Mibrag haben die Menschen im Südwesten Mecklenburgs alarmiert … Statt Braunkohle zu verheizen sei es doch sinnvoller, das heiße Wasser im Mecklenburger Boden in geothermischen Kraftwerken zu nutzen….Es müsse ja nicht immer wie in Bismarcks Lästerei sein, dass in Mecklenburg alles hundert Jahre später kommt, sagt E,. …Die Stadt Lübtheen und ihre Randgemeinden strahlen den Charme aus, der den Reichskanzler über die Mecklenburger Provinz herziehen ließ. Lange Alleen, kaum Verkehr, hier und da ein Häuschen, gewöhnlich ist eher eine Sau denn ein Mensch zu erblicken. Welcome in the middle of nowhere, grüßt G.B. Gäste aus der Stadt. Der Wochenend-Mecklenburger hat ein altes Bauernhaus…in Alt Jabel gekauft. Dahinter beginnt das Niemandsland, der Truppenübungsplatz. ..Auch M G, hofft auf die Wendländer, die seit so vielen Jahren immer wieder dem Castor trotzen. Das ist ja nur die Elbe, die uns trennt, glaubt die 27-jährige Betreiberin des Reiterhofes Z.B., ein Dörfchen hinter Alt Jabel. …..Wenn die Mibrag nicht mit den Probebohrungen zur Erkundung der Kohleflöze begonnen hätte, würde sie jetzt bald mit dem Neubau beginnen. Alles ist fertig, 160 Quadratmeter mit Büro und Pensionsbetrieb sind gezeichnet, vom Amt genehmigt und auch finanziert. ..so lange die Gefahr der Baggerschaufel über der Griesen Gegend kreist, wi…
Namen anonymisiert, im Orginalartikel der FR wurden sie genannt. Anmerkung DEB 2020-02-28

Gästebuch

(11) Gert Robert Baumert 19. März 2006
halloo ihr italieners oder bon giordano wie der selbe sagen tät
nochmals vielen dank für den aufenthalt in euren gemäuern.
bis auf das wetter war ja alles ok, den rest kriegt ihr im lauf
der jahre wahrscheinlich auch noch hin, oder hin. so oder so
ich habe euch hiermit doch noch den gewünschten
gästebuch-eintrag geschrieben (am 19.3.2006)
zwischen münchen und hamburg

San Pietro il 19/marzo/2006
Il mio fratello e la sua moglie
in loro casa Rosa (o rossa?)
mille grazie per una bella settimana
e tanti auguri per la vita tranquila
in puglia
arrivederci
roberto

Gerd Robert Baumert

Gerd Robert Baumert

Gerd Robert Baumert

Photos: Hans Schmidt-Möbius
Gert Robert Baumert in seinem Lokal Apres Midi ( heute: www.farina.pizza)