DEB by Dagmar Perinelli

Burghof Lörrach

Dieter Emil Baumert
2003-12-02

Unser Freund, Christian Bucher, teilt uns mit, dass Interesse besteht, an der Meinung des Bürgers am Burghof in Lörrach.

Burghof: Das war lange Jahre eines der innovativsten Bürgerzentren der Stadt. Neben Kommunikationszentrum, Jugendzentrum Hüttli und späteren (erweitertem) Nelli Nashorn, s Lädeli und Free Cinema gehörte der kleine, alte Bau des evangelischen Sozialen Arbeitskreises (SAK) zu jener Alternativszene, die noch Anfang der achtziger Jahre Hunderte junger Menschen auf die Strasse brachte mit dem Slogan „Lörrach ist das Letzte“ um den Unwillen der Jugend zum Ausdruck zu bringen über die alten, verkrusteten Verhältnisse.

Hier war ein Labor der Sehnsüchte, wo das Elixier des Lebens zusammengefügt wurde, hier war – in den siebziger Jahren – der erste
Abspielort des free cinema, hier kamen der progressive Jugendrichter Schrader und der Rechtspopulist Polit zum öffentlichen Dialog über
Jugendpolitik zusammen, hier stritten Kommunisten und Christen über den Weg der Friedensbewegung Anfang der Achtziger Jahre, hier spielten mehrmals die Polnischen Jazzer von Laboratorium und die Freiheit von Solidarnoc und Charta 77 wehte durch die heimeligen Räume.

Alte Lörracher, wie der Stettener Conrad Heinrich Bauer, hätten gerne das alte Ensemble rund um den Burghof so erhalten, wie es historisch gewachsen war. Anstatt des – praktischen, weil stadtzentralen – hässlichen Parkplatzes hätten wir einen Park errichten können und die engagierten BürgerInnen der AGUS, der Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz, um Jo Kaltenbach konnten sich eine Strassenführung unter der Erde vorstellen – die Stadt sollte wieder den Bürgern, dem Fussgänger und dem Fahrradfahrer gehören.
Doch diese naturkonservative Utopie fand kein Gehör im Rat der Stadt und auch der wertkonservative Rebell Conrad H. Bauer wusste, dass an der Eigentumsordnung nicht gerüttelt werden darf und es doch im sozialen Sinne oft so notwendig wäre sie zu ändern.

So kam also der neue Burghof nach Lörrach – ein kulturelles Zentrum, ein städtebaulicher Höhepunkt und ein Meilenstein zur Modernisierung der Stadt. Der Haushaltsbuch-führende Bürger war dagegen, doch konnten sich die Sparkommissare der Stadt im Bürgerbegehren nicht durchsetzen.

Ich darf sagen: Zum Glück nicht. Zum Glück hat die Stadt sich zu ihrem kulturellen Auftrag bekannt und ein kulturelles Zentrum errichtet, das fortwährend dazu beiträgt, dass das provinzionelle am Leben in der Kleinstadt auf das erträgliche reduziert wird und der Geist Schritt für Schritt erweitert wird.

Ein kulturelles Programm, gemischelt vom dafür engagierten Helmut Bürgel, das es mit dem Programm jeder Großstadt aufnehmen kann. Mussten wir noch einst in die Alte Oper nach Frankfurt (zu Bruno Ganz zum Beispiel) fliegen, in die Muffahalle nach München (zu den alten Herren des Buena Vista Social Club), nach Freiburg ins Jazz-Haus fahren oder nach Winterthur zu Paolo Conte oder nach Basel zu Pharao Sanders in die Kulturwerkstatt Kaserne – jetzt legte uns der begabte Kulturmanager alles vor Ort zu Füssen. Und anders als bei den populären, aber sehr volksfesthaften Konzerten des Stimmen-Festival, entgingen wir dem lauten Biertrinker, der halt kommt, weil man da hingeht. So bieten die Kulturveranstaltungen im Burghof manchmal auch dem Puristen das Vergnügen, das er sonst nur in solch erlauchten Hallen, wie der Miles-Davis-Halle in Montreux erleben kann.

Das Leben wäre nicht das Leben, wenn zum Lachen nicht auch das Weinen gehören würde, zur Freude nicht auch der Schmerz, zum Grossen nicht auch das Kleine, zum Erhabenen nicht auch das Schäbige:

Ein Gemeinderat, der sich nicht mit der Architektin versöhnen kann und im Streit sich trennt – wird es wie in Sydney beim Opera House Jahrzehnte dauern, bis die Versöhnung stattfindet?

Ein fülliger Freiburger Oberbürgermeister, der strahlend-präsent im letzten Jahr seiner Amtszeit durch den Burghof schreitet – im Windschatten seine Lörracher Kollegin, die gerne das Freiburger Spiel spielen würde, aber unsäglich provinziell sich selbst aus dem Spiel katapultiert.

Ein Mitarbeiter einer einst weltbekannten Lörracher Solarfirma, der im Foyer signalisiert: Jetzt sind wir am Drücker, jetzt regieren wir: Das erinnert mich an einstige CDU Größen – um die Einzelhändler Lutz und Roth, die – noch unter dem vielgeschmähten OB Rainer Offergeld, der den Burghof auf den Weg brachte – einst verkündeten: Jetzt kommen dann wir dran und räumen mal richtig auf, dann können sie kommen, Frau Perinelli.

Eine Oberbürgermeisterin und ein Kulturamtsleiter, die sich an der Bar des Burghofs so benehmen, als gehöre ihnen der Laden: Gib mal ne Pulle Champagner rüber. Es sind die kleinen Gesten, aber der Bürger als Citoyen mag es nicht, wenn sich mit Hilfe des Kulturtickets alte, bourgeoise Verhaltensweisen breit machen.

So ist denn der Burghof für uns alle eine stetige Herausforderung, den Geist zu öffnen, den Körper gut zu behandeln und unsere Verhaltensweise auf ihre Sozial- und Zukunftsfähigkeit zu überprüfen. Ich danke der Stadt, dass sie bereit ist, die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.