zäh'n'zart. poems songs

zäh’n’zart
poems songs
conny rupp

3. Maisenhardt Joggele

Vierundreissig Jahre waren sie in den Regalen der Eingeweihten versteckt – nun wurden sie wieder ausgegraben: die grossartigen Gedichte des Lörracher Undergroundpoeten Conny Rupp. Als drittes Maisenhardt-Joggele als e-book wieder der Weltgemeinschaft zur Verfügung gestellt:

zäh’n’zart
poems songs
conny rupp

Nachwort (2015) von Andreas Havlik

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Conny Rupp

Vorwort zur Neuherausgabe 2013

von Dieter Emil Baumert

Tage im Jahr des Herrn. Jungs, die aussehen wie David Bowie hinter der Plattentheke. Lörrachs schönster Schallplattenladen, gegenüber Kaufhaus Hertie.

Oben wohnen die Jungs, die Brüder Rupp. Conny und…

Als Neuer in Town schau ich vorbei. In der Röntgenstrasse wohne ich mit Ralf in der WG zusammen, Ralf mit den anderen oben in der Röntgenstrassen-WG. Unten das Kommunikationszentrum, um die Ecke unser Lädeli – Buchladen, 3.Welt-Laden, selbst gemachtes Spielzeug, gebrauchte Klamotten. Ich gebe die Stattzyttig heraus. Bei Conny kaufe ich James Taylor – er gibt sie mir billiger für 12 oder vierzehn Mark. Es ist die schönste Taylor aller Zeiten. Wir sehen uns im Laden, auf der Strasse, im Ascona. Es ist eine lustige Zeit, hier im Ascona kommen die verschiedensten Welten zusammen: der Manager und die Hure, der Drogenabhängige und der Apostel, der Freak und der Büromensch, die Rebellen und Angepassten. Frau und Mann und all die Geschlechter dazwischen. Conny fragt: Du hast doch Kontakt zu Druckereien. Kannst Du mir nicht meinen Gedichtband drucken lassen. Ja, klar. Ich hole Angebote ein, in Freiburg bei der DruckWerkstatt (das Kollektiv druckt die Stadtzyttig) und bei meinen Lieblingen vom Packpapier. Conny entscheidet sich für die DruckWerkstatt. Herauskommt der wunderbare Band mit Gedichten von Conny.

Man merkt dem Band sein Werden an. Da sind noch alte Regeln des Reims vorhanden, so wie Kleinkarlchen sich Gedichte vorstellt, auf Reim Schleim. Und dann sind da die modernen Einflüsse: Cohen, Bukowski und die Beatpoeten und die Liedermacher des Rocks. Er beschreibt sensibel das alte Spiel zwischen Mann und Frau – „Wie wir uns auch zusammentun, immer bleibt einer übrig, oder zwei, etwas Angst habe ich noch, vor dir, also gib mir deine Regeln, steh in deinem Eis, kalt wär ich gern.“

Conny Rupp beschreibt das Leben in der Kleinstadt. Der tägliche Gang in die Ascona Bar: „Hab mich wohl zum tausendsten Mal verirrt.“ Das Leben mit Alk und die Schwierigkeit von Liebe zu reden: „Wollt dir schon lange sagen dass ich dich liebe aber nüchtern – du weißt ja und wenn ich besoffen bin denkst du … aber wenn wir das nächstemal im Kino sind und er sagt zu ihr ich liebe dich kannst du mir’s wirklich glauben“.
Wie jeder junge Mensch in den Siebzigern trampt er durch Europa: „Wohin ich eigentlich will weiß ich nicht…..schau mich in der Gegend um mit meinem Koffer in der Hand ich suche nichts hab auch nichts verloren hoffe nur auf den nächsten Wagen wohin soll mir der Fahrer sagen.“ Gehen, wohin das Leben einen treibt. Das ist die Grundstimmung jener Jahre. Er fragt: „Kann man mit 26 ein altes Arschloch sein?“, hat aber genug Humor, um seine Lage so zu konstatieren: „Auf der Hälfte der Strecke bleibe ich stehen und muss lachen stehe auf meinem Schattenbein überraschend fest solange man mich stehen lässt überlasse die Tage den Frauen.“

Conny Rupp und die Frauen: ein interessantes Thema, eigentlich das Thema, sein Thema. Die Sechziger und Siebziger sind an keinem spurlos vorbei gegangen. Keiner dieser jungen Generation kann noch Macho sein wie die Altvorderen, kaum einer wird Softi werden wie die Nachfolgenden. Das Neue ist noch nicht da und das Alte noch nicht weg. Wir sind Zwitterwesen, und nicht umsonst sehen die Rupp-Brüder Ende der Siebziger wie Androgyne aus – David Bowie lässt grüßen. „Strohfeuer sind meine Liebesgefühle wälze mich wie ein Arsch in der Soße habe echt eingebildete Schmerzen versuche die Gegenwart mit der Vergangenheit lächerlich zu machen.“ Frauen, die sich auf den Weg machen, Männer die zurückbleiben, das ganze beobachten: „Weil keiner von uns geht bleiben wir zusammen wohin du auch nicht gehst ich bin bei dir.“ Das Leben gemeinsam ist schwierig – wie leicht ist in Träumen das andere Leben möglich: „Unten am Fluss will ich an dich denken überlasse meine Gedanken den Wellen…unten am Fluss bin ich im Klaren was du gegeben und was du genommen … unten am Fluss da kann ich es ruhig sagen dass ich ohne dich – allein bin“. Im Alltag prallen das Prinzip Mann und das Prinzip Frau aufeinander: „Wie wir uns auch zusammentun immer bleibt einer übrig etwas Angst habe ich noch vor dir also gib mir deine Regelen stehe ich deinem Eis kalt wär ich gern.“

Der Lyriker, der Songschreiber ist immer der Mann, der seine Innenansicht zeigt, sein Innerstes nach Außen kehrt. Formuliert die Ängste und Sehnsüchte seiner Generation: „Liegt ein Ohr auf der Straße – hört nicht sitzt ein Baum auf nem Baum – lässig trinkt eine Cola eine Cola wird eine Generation gefressen.“ Der schwierige Weg, seinen Weg zu finden: „Jahrelang in der Kälte umhergeirrt, mit dem einzigen Sinn nicht so leben zu müssen wie die anderen.“ Wie das sensible Innere mit dem harten Äußeren in Einklang bringen, wie die Träume mit der Wirklichkeit: „Aber dass ich das ganze Jahr nackt bin außer ich schlüpfe in eine Rolle hängt mir zum Arsch raus dass die größte Freiheit in der Werbung stattfindet hab ich von Coca-Cola gelernt und dass die kleinste Freiheit am Fließband unmöglich ist hat mir eben der Personalchef mitgeteilt.“ Conny beschreibt hier eine soziale Wirklichkeit, die wir alle noch in den Siebzigern kennen gelernt haben. Demokratie hörte am Werkstor auf – das Denken überlassen Sie bitte den Pferden, die haben größere Köpfe.

Doch der Lyriker wäre nicht Lyriker, würde er das Jetzt nicht transzendieren, würde er nicht Zukunftsbilder entwerfen, flimmernde Bilder eines anderen Lebens, wie die Fata Morgana in der Wüste:
„Hitler beim vögeln Getty wirft einen Parkgroschen ein Nixon natürlich beim wichsen … Tarzan beim Kaufmann Gott beim rasieren … Jackie u. Bukowski auf dem Standesamt.“

Wir haben dann im Frühjahr 1979 den Band herausgebracht. Die deutsche Undergroundliteraturzeitschrift Ulcus Molle hatte zäh’n’zart im Angebot, natürlich auch wir in unserer Buchhandlung s’Lädeli, Conny im Schallplattenladen. Doch Literatur dauert länger, Lyrik ewig. Die großen Besprechungen bleiben aus, die Bände werden Conny nicht aus den Händen gerissen. Er wird wütend, schmeisst einen Großteil auf den Müll und verbrennt ihn. So werden die wenigen Exemplare eines der besten Lörracher Lyriker zum Sammlerstück. Wir schaffen es noch, jeweils ein Exemplar auf die Bücherschauen in New York, Delhi und Ankara zu bringen. Aber schon in meinem Archiv ist kein Orginaldruckexemplar vorhanden. Allerdings die Orginalvorlagen, getippt von Conny himself. Wir haben für die Neuherausgabe Connys Schreibweise beibehalten. Offensichtliche Tipfehler wurden korrigiert.

Klaus Ebner hatte das Titelbild fotografiert. Es zeigt Conny Rupp mit schönem langem Haar. Bis zur Herausgabe dieses e-books ist es leider nicht gelungen, das Foto wiederzubeschaffen. Klaus Ebner hatte Conny und viele andere auch viele Jahre im Ascona photographisch begleitet und dabei ein grandioses Fotoportrait dieser Zeit geliefert.

1980 kamen die beiden einmal zu einer Literaturlesung ins Lädeli. Doch wir als Avantgarde leiteten die erste zigarettenfreie Teestube, und damit konnten und wollten sich die Haschrebellen nicht abfinden, und Dagmar nicht mit ihrem männlichen Begehr, das machen zu dürfen, was sie will. Sie flogen unter wilden Beschimpfungen raus, und ich lache heute darüber, heute wo ich derjenige bin, dem in Kneipen der Rausschmiss droht, wenn ich meine kubanische Zigarre rauche.

Wir waren in den frühen Siebziger Jahren die letzte Generation, die noch nichts von Aids wusste. Tapsig konnten wir umhervögeln, mal mit Kondom, meist ohne – es gab ja die Pille. Doch die dunklen Wolken machten auch nicht vor den Kleinstädten der deutschen Provinz halt. Conny, der immer gerne und viel gefickt hatte, konnte den Lauf der Welt nicht aufhalten: „Stehe im Regen ansonsten stoppt die Welt ich will endlich aussteigen letzte Zeile noch eine Meile bis Nirgendwo genau.“ Etliche Freunde sterben am Goldenen Schuss, Conny bekommt Aids.
Ich erinnere mich noch, wie ein erfolgreicher Lörracher Manager sich über Conny aufregte, weil er während einer Party im Baselland in der Dusche eine Frau vögelte. Conny tat, wovon andere träumten, und hatte Chuzpe genug, dies mit Augenzwinkern zu kommentieren: „Wäre gern ein Profi der Liebe der die Weiber umwirft … hätt‘ gern ’nen Penis mit Gesicht der den Mösen gut zuspricht auf dass sie sich ergeben wie Salatblätter im Regen Stattdessen sitze ich vor meinem Jahresfickabschluss eine mickrige Summe warte auf die nächste Dumme die alles glaubt und hören will was ein Männerhirn hergibt wenn Kerlechen ficken will.“

Das Ende kommt bald. Mit Flecken im Gesicht versteckt er sich nicht. Er sitzt auf den Bänken der Stadt. Einmal mit zwei anderen auf der vor dem Lädeli und der Musikbörse in der Kirchstraße. Ich komme vorbei, wir grüßen uns. Ich sage: „Marlene Dietrich sagt: Ihr habt Angst vor dem Tod? Ihr müsst Angst vor dem Leben haben.“ Er grinst wissend.

Es hätte ihm gefallen, seinen Mitpoeten Leonard Cohen auf dem Marktplatz seiner Heimatstadt zu hören: „Und um wieder glaubhaft zu werden trug ich ihr ein Cohen Gedicht vor „Die Musik kroch an uns vorbei“ Sie lachte und lachte schnaubte immer wieder der war gut der war gut so hatte ich Lyrik noch nicht gesehen.“

Ob Conny nach 1979 noch Gedichte schrieb, weiß ich nicht. Vielleicht sind noch unbekannte Schätze zu heben, wenn es eines Tages auf irgendeinem Speicher einen spektakulären Fund gibt, ein Mädchen, das eine Kiste findet von seiner Oma und den Schatz für seine Mitwelt birgt.

Solange werden wir uns an seinen mal eher nicht gelungenen Gedichten abarbeiten und an seinen grandiosen erfreuen. Allen hat er etwas hinterlassen. Auch den Frauen der Frauenbewegung, die sich heute teuerste Hautcremes aufschmieren, um wieder schön und glücklich auszuschauen: „Sie kam rein – beschwingt neugierig umherblickend und man sah es ich sah es die langen braunen Haare nicht zu wild auch nicht zu gekämmt und wie sie dann an der Bar stand Wodkaglas in der Hand den Blick nach innen wusste ich wieder ficken macht Frauen schön.“

Dieter Emil Baumert 16. April 2013