DEB, 1990 Australien, by Dagmar Perinelli

Burte

Von Dr. jur. Friedrich Vortisch jun.

FDP Fraktion im Gemeinderat Lörrach

Rede
gehalten im Lörracher Gemeinderat, September 1989

Die Stadt Lörrach wollte aus der Burte-Gesellschaft austreten, denn diese Gesellschaft gibt in ihrem jetzigen Zustand keine Perspektive, dass mit ihrer Hilfe der Komplex Burte jemals aufgearbeitet werden könnte. Daran ändert auch die jetzt eingeleitete Notbremsung nichts. An Hermann Strübe-Burte scheiden sich die Geister ja nicht, weil er in seiner Zeit extreme Ansichten vertreten hätte, sondern weil er wie kein anderer in unserer engeren Heimat, die allgemeinen politischen Anschauungen des deutschen Bürgertums repräsentiert hat.

Er war wirklich Volkes Stimme im Markgräflerland, auch wenn diese Stimme für uns nicht mehr wohlklingt. Er war bis 1914 ein wilder Nationalist – wie fast alle; er war kriegsbegeistert und annexionslüstern bis zum „Griff nach der Weltmacht“ – wie fast alle; er bekämpfte Republik und Demokratie von Weimar – wie die meisten seiner Standesgenossen – und feierte das Aufgehen aller bürgerlichen Parteien – von kümmerlichen Resten abgesehen – im Nationalsozialismus.

Das Beiseite-Stehen des katholischen Zentrum der Sozialdemokraten und der Kommunisten bestätigte nur das eingefleischte Vorurteil gegen die schwarzen und roten Reichsfeinde und bis zum bitteren Ende ging er mit den Nazis durch dick und dünn – nicht ohne Opportunismus und – im Vertrauen: mit so unfeinen Leuten wie den alltäglichen kleinbürgerlichen Nazis wollte Burte nun wirklich nicht im Ernst identifiziert werden.

Wer in Paris und London gelebt hatte, wer von den Reinhardt – zusammen mit Rilke – nach Muzot oder nach Winterthur eingeladen wurde, wer mit den Rotarier-Freunden in Basel debattierte, wer es besser wuszte, als die Volksgenossen, die glaubten, was sie sagten, wer „keinen Glauben hatte, sondern jeden predigen konnte, wer keine Ansichten hatte, sondern jede vertreten und jede verhöhnen konnte“ – wie das OV (Oberbadisches Volksblatt, Anmerkung der Redaktion) schon 1912 druckte – muss sich zusätzlich den Vorwurf gefallen lassen, wider besseres Wissen gehandelt zu haben.

Nach 1945 blieb nur Unbelehrbarkeit, für die Demokratie und Menschenrechte nur verachtete Reeducation-Programme sein konnten, die von Besatzungsmächten oktroyiert wurden. Wenn schon nicht im Felde, so war man wenigstens in seinen Vorurteilen unbesiegt. Wenn wir HBS neu vermessen, dann nur, weil wir über uns selbst, über unser Volk, unsere Geschichte in dieser Landschaft etwas erfahren wollen, nicht um einer Einzelperson am Zeug zu flicken. Wenn wir verstehen wollen, was Väter und Groszväter – mit Jenninger zu sprechen – fasziniert hat, so gibt es hier keinen, der ein besseres Beispiel wäre, als Burte, der, gebildete und produktiv, sensibel und brutal in einem reich dokumentierten Leben dem Zeitgeist huldigte.

Mein Groszvater, Friedrich Vortisch, hat im Auftrag dieser Stadt Hermann Burte 1929 zum 50. Geburtstag gratuliert, ein deutscher Demokrat einem Deutsch-Nationalen. Damals waren auch die wildesten Sprüche noch Sprüche geblieben. Vier Jahre später wurden sie für 12 Jahre zu Taten. Seither muss reinlich geschieden werden – auch bei den Bürgerlichen. Die Linke hat es da leichter. Schon 1912 hat Burte den sozialistischen Gewerkschafter mit den unverkennbar jüdischen Aussehen im Weltenbrand des „Hofes, welcher eben unterging“ verbrennen lassen und seine Reste waren nur noch an den Goldplomben zu erkennen; ein Hauch von Auschwitz liegt über jener Szene des Wiltfeber.

Die Grünen mag interessieren, dass Burte schon 1912 als der ewig Grüne apostrophiert wurde.

Aber wir alle haben es auch heute noch nötig, uns nach den Ursachen des Geschehenen zu fragen und das sollten wir ohne diese Gesellschaft tun, von der manche sagen, einer der gründe ihres Bestehen sei es, das Material für eine solche Auseinandersetzung zu sperren.

Die SPD-Fraktion will in dieser Sache nicht diskutieren. Das mag taktisch klug sein, wenn sie an das republikanische Potential in ihren Reihen denkt. Auch dieses Problem haben wir politischen Parteien alle in gleicher Weise. Wir alle sind nach dem verlorenen Krieg gegründet worden von Menschen, die, als Hermann Burte in höchsten Ehren stand, in Gefängnissen, in Konzentrationslagern oder im Exil lebten und dieser gemeinsamen Vergangenheit sollten wir bei unserer Entscheidung gedenken.

Lörrach, den 21. 09. 1989

Copyright: Friedrich Vortisch, Lörrach

Epigramm, posthum
Burte und kein Ende?

Vielen Dank, der Witz ist nur, dass ich damals den Antrag im Gemeinderat und Kreistag gestellt habe, dass die Stadt Lörrach und der Kreis aus der Burte Gesellschaft austreten sollte. Meine Begründung war damals, dass es für mich nicht tragbar ist, dass Steuergelder für die Pflege des Burte-Nachlasses ausgegeben werden, der ja nachgewiesener Weise nicht nur ein Sympathisant sondern ein nachhaltiger Profiteur des NS-Regimes war und im Auftrage von Goebbels flammende Reden reichsweit zur Unterstützung des NS-Regimes und auch an die Soldaten im Feld für den Endsieg gehalten hat.

Goebbels dankte es ihm auch, indem er Burtes Drama Katte an allen deutschen Bühnen auf den Spielplan setzte. Burte war wohl kein Nazi
im eigentlichen Sinne, sondern ein unverbesserlicher deutschnationaler, der sich auch den Spaß leistete, in Basel sich über die Nazis lustig zu machen. Umso verwerflicher sind wohl seine Propagandaaktionen und Reden für Goebbels und das NS-Regime und seine Annahme von Geld, Protektion und Vorteilen inklusive der Überlassung der schönen Villa, in der sich heute das Nellie befindet. Zu Recht hat man ihn dann wohl auch aus der Villa nach dem Krieg verjagt und ihn im Entnazifizierungsverfahren verurteilt, das hat er wohl bis zu seinem Tode nicht verwunden.

Die Einlassung von Frieder Vortisch ist sehr lesenswert, aber auch ein Text verfasst im Geiste der liberalen Tradition deutschnationaler Prägung, da hat er halt mildernde Umstände, bei seiner liberalen Ahnengalerie konnte er wohl nicht anders.

Ich kann mich noch gut entsinnen, Dr. Harrer legte sich gewaltig ins Zeug und beschwor die Verbundenheit der „Heimat“ mit Burte. Es nütze aber alles nichts, der Gemeinderat und der Kreistag stimmten meinem Antrag zu.

Sehr viel später nach einer Burte-Ausstellung und Dokumentation im Museum am Burghof mit einer kritischen Auseinandersetzung zum Leben und Werk Burtes und seinen Aktionen als NS-Propagandist war ich dann etwas moderater und habe in der BZ geschrieben, dass es wohl um Burtes Wildfewer und das Drama Katte nicht schade ist, wenn sie im Orkus der Geschichte verschwinden, aber „die Madlee, ja die Madlee wird wohl immer bleiben.“
Das brachte mir dann auch ein Lob von Herrn Jensch ein.

Zur Begründung meines Antrags im Rat habe auch diese Facts belegt mit Originalbeweismaterial, was mir von der Freiburger Universität zur Verfügung gestellt wurde. Auf die Pressemeldungen über meinen Antrag meldete sich Golo Mann im Spiegel mit einer Verteidigung Burtes. Als ich ihm das Dokumentationsmaterial zukommen ließ, nahm er nochmals öffentlich im Spiegel Stellung zu Burte mit einer Verurteilung Burtes und schrieb mir auch in einem persönlichen Brief, dass er seine Meinung über Burte nun korrigiert habe.

Was bleibt, ist die Frage, wie taucht Burte im Jahre 2012 ausgerechnet als Geist in Apulien auf?

Conrad Heinrich Bauer 19. Februar 2012

Ergänzen möchte ich noch, dass die Liberalen nach 1932 in der Wolle wirklich nationalliberal eingefärbt waren, Papa Heuss hat 1934 Arm in Arm mit den Deutschnationalen und dem katholischen Zentrum dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt.
Ein Herr aus Schopfheim hat mich damals gebeten, ich solle auch einen Antrag stellen, dass die Stadt Lörrach die Ehrenbürgerschaft Burtes storniert, ich musste ihm antworten, dass dies nicht mehr möglich ist, denn die Ehrenbürgerschaft erlischt mit dem Tode.

Conrad Heinrich Bauer 21. Februar 2012