Kriegslied
’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß
Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen
Und vor mir meinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
Wenn tausend, tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch‘ und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich‘ herab?
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
!
Mathias Claudius
1740 – 1815
Grüne und Kosovokrieg – eine Auseinandersetzung
Leserbrief
Badische Zeitung Lörrach
19. Mai 1999
Grüne und Kosovo-Krieg
Zum Bericht „Grüne rechnen mit Austritten“ (BZ vom 15. Mai)
Unerträgliches Zuschauen
Ich komme nicht aus der Friedensbewegung, sondern aus der Frauenbewegung. Gewaltanwendung war mein ureigenstes politisches Engagement. Sich für eine Seite zu entscheiden und sich damit gleich auch gegen eine andere Seite. Nicht immer waren die von Gewalt bedrohten Frauen unschuldig an ihrer Situation, aber die Schwächeren. Ich habe nie zugeschaut, wenn zwei sich geprügelt haben, ich bin immer mit Gewalt dazwischen, denn eine/r ist in so einer Prügelei immer der/die Schwächere.
Unerträglich wurde mir das auferlegte Zuschauen bei Gewaltanwendungen, wo ich nicht handeln konnte: Hutus gegen Tutsis und umgekehrt, gegenseitiges Abschlachten von Clans in Somalia, Niedermetzeln wehrloser Dorfbewohner in Algerien usw. Und dann das jahrelange Zuschauen in Ex-Jugoslawien. Dei UNO-Blauhelme durften nicht einmal eingreifen und standen doch direkt daneben, mussten dem Genozid an den Bosniern hilflos zusehen.
Nein, das ist nicht mein Ding. Deshalb finde ich es richtig, dass die Nato diese Unerträglichkeit des nur Zuschauens beendet hat und handelt. Richtig? Falsch? Für mich die
falschen Fragen. Weiter zuschauen? Handeln! Den Warlords dieser Welt wird die Weltgemeinschaft – unter dem Dach der UNO – im nächsten
Millennium die Möglichkeit nehmen, die Völker zu vernichten. Damit die Menschen miteinander friedlich zusammenleben können.
Ich trete nach vielen Jahren Mitarbeit bei den Grünen der Partei Bündnis 90/ Die Grünen bei, weil sie den Mut hat zu handeln.
Dagmar Baumert, Grüne Landtagskandidatin 1988, Lörrach
Badische Zeitung Lörrach 26. Mai 1999
Grüne und Kosovo
Zum Leserbrief „ Grüne und Kosovo-Krieg“ von Dagmar Baumert (BZ vom 19. Mai)
„Werkzeuge der Militärphantasie“
Unerträglich: Ich komme auch nicht aus der Friedensbewegung. Die Verherrlichung des Prinzips „Gewalt gegen Gewalt“ ist mir trotzdem unerträglich. Als ob handeln nur Bomben, uranhaltige Geschosse und Krieg bedeuten kann! Handeln ist viel mehr: verhandeln, kommunizieren, boykottieren, demonstrieren, hartnäckig sein, ein Embargo durchsetzen, Verbündete suchen – rechtzeitig der Situation angemessen handeln, sofort eingreifen, wo Menschenrechte verletzt werden. Und sich nicht zum Werkzeug von neuen Militär- oder Weltherrschaftsphantasien oder gar wirtschaftlichen Interessen und Machtgelüsten machen lassen.
Die Frauenbewegung als Rechtfertigung für einen Krieg, das ist noch unerträglicher! Was ist mit den Müttern der Kinder, die an den „Nebenwirkungen“ der Urangeschosse sterben werden – oder den „Irrtümern“ der Nato? Was ist mit den Frauen, Schwestern und Müttern der Krieger? Sie sind alle von Gewalt bedroht! Wollen Sie hier auch mit „Gewalt dazwischen“ gehen? Frauen- und Menschenrechte können nicht verteidigt werden, indem wir Menschen umbringen lassen.
Ziel kann es nicht sein, überall auf der Welt Kriege zu führen, weil man/frau unbedingt handeln will. Ziel muss es sein, dass keine/r hingeht, wenn irgendwer behauptet, es sei Krieg! Und
deshalb würde ich bei den Grünen austreten, wäre ich Mitglied, weil sie nicht den Mut haben, Nein zu sagen.
Birgit Degenhardt, Lörrach
Grüne uns Kosovo-Krieg
Zum Leserbrief „Werkzeug der Militärphantasie“ von Birgit Degenhardt (BZ vom 26. Mai)
BZ Kreis Lörrach 27.05.1999
„Eine Lehre des Jahrhunderts“
Die Weltgemeinschaft hat in der UN, im Völkerrecht und im Haager Kriegsverbrechertribunal wirksame Organe des zivilen Umgangs miteinander geschaffen. Nun muss die Weltgemeinschaft endlich auch eine eigene, bewaffnete UN-Truppe aufbauen. Die Weltgemeinschaft wird in Zukunft die Probleme nicht lösen können, indem sie – wir Birgit Degenhardt – bei schwersten Menschenrechtsverletzungen behauptet, es sei ja gar kein Krieg. Der Genozid in Ruanda, das Massaker in Srebrenica etc. waren ja nur möglich, weil die Weltgemeinschaft nicht rechtzeitig eingriff. Dass dies irgendwann dann nur noch mit bewaffneten Truppen möglich ist, auch dies ist eine Lehre dieses Jahrhunderts. Wer davor zurückscheut, opfert Millionen Menschen auf dem Altar des guten
Gewissens der Gewaltfreiheit. Dies ist für mich unerträglich.
Dieter Baumert, ehemaliger Kreisgeschäftsführer der Grünen
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Verwaltung modernisieren heißt Verwaltung demokratisieren
Ein Dialog
Dieter Emil Baumert
1999-10-06
Frau
Oberbürgermeisterin
Gudrun Heute-Bluhm
Rathaus
79539 Lörrach
Deutschland
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin!
Für die „Grüne Zeitung“ der Lörracher Grünen hab ich beiliegenden Artikel geschrieben. Leider fiel er der innerparteilichen Zensurredaktion in die Hände und so wird die Lörracher Leserin ihn nicht in der grünen
Wahlkampfpostille lesen können.
Da die Kritik aber eine Adressatin hat, sende ich sie heute an sie:
Geben Sie Meinungsfreiheit.
Mit freundlichem Gruß
Dieter Emil Baumert
Verwaltung modernisieren heißt Verwaltung demokratisieren.
Die Stadt Lörrach hat die letzten Jahre Abschied genommen von überholten Prinzipien des Untertanenstaates. Sie hat Verwaltungsvorgänge modernisiert, die Verwaltung bürgerfreundlicher organisiert. Freundlich, hilfsbereite Damen und Herren in den Abteilungen gehören nicht mehr zu der aussterbenden Spezies, sondern werden gefördert und unterstützt. Vorbei sind die kaffkaesken Wanderungen durch den Dschungel des deutschen Beamtenstaates, an dessen Ende auch das Ende der Illusionen der Radikaldemokraten von Einst standen.
Die Stadt präsentiert sich im Internet – www.loerrach.de –als moderne Einkaufsstadt mit einer aufstrebenden Kulturszene und einem ausbaufähigen Kundenzentrum Rathaus. Formulare können direkt in den heimischen PC geladen, Behördengänge damit vereinfacht werden.
Doch gerade der Auftritt im Internet zeigt die Defizite der Modernisierung. Denn Modernisierung heißt nicht nur, Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen. Es heißt auch
Verwaltungsvorgänge zu demokratisieren. Das Medium Internet bietet, so einfach, wie noch nie in der Geschichte der Kommunikation, die
Möglichkeit, den Bürger und die Bürgerin umfassend zu informieren.
Aus den Internetseiten der Stadt Lörrach kann der Bürger als
Citoyen am Geschehen der Stadt regen Anteil nehmen, sich informieren und eingreifen, wenn es ihm Verstand und Herz rät. Hier können die
Einladungen für alle Sitzungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse stehen, inklusive sämtlicher Unterlagen. Hier findet die Bürgerin die Protokolle aller Sitzungen. Hier sieht sie, wie einzelne Gemeinderäte zu den einzelnen Punkten abgestimmt haben, kann auch hier die persönlichen Stellungnahmen der Gemeinderäte nachlesen. Zur Bürgerfragestunde kann der interessierte Bürger per E-Mail eine Anfrage stellen, im Bürgerforum der Stadt Lörrach können die Bürger und Bürgerinnen der Stadt, aber auch Gäste aus anderen Regionen der einen Welt in der wer leben, sich zu aktuellen Themen der Stadtentwicklung äußern, Vorschläge machen, Kritik üben.
So wird aus einer Stadt der Konsumenten wieder eine Stadt der Bürger. Gestatten Sie Meinungsfreiheit, Frau Heute-Bluhm!
Dieter Emil Baumert
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