Bert Brecht zum 50. Todestag

Montag, 14. August 2006 | von

Kinderhymne (1949)

Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land

Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.

Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir’s
Und das liebste mag’s uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.

Aktuell ist, wenn morgens die Sonne aufgeht und abends der Mond….

Die Gedanken sind frei

     G                      D          G
Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten,
                         D          G
sie fliegen vorbei, wie nächtliche Schatten.
      D              G             D       
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen.
   C        G           D           G
Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!

Ich denk‘ was ich will und was mich beglücket,
doch alles in der Still‘, und wie es sich schicket.
Mein Wunsch, mein Begehren kann niemand verwehren,
es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!

Ich liebe den Wein, mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei: Die Gedanken sind frei!

Und sperrt man mich ein in finstere Kerker,
das alles, das sind vergebliche Werke.
Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei, die Gedanken sind frei!

Drum will ich auf immer den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen stetz lachen und scherzen
und denken dabei: Die Gedanken sind frei!

Urheber / Autor unbekannt

Ich will in einer Welt ohne Exkommunizierte leben.

Ich will in einer Welt ohne Exkommunizierte leben. Ich werde niemanden exkommunizieren. Ich werde morgen auch nicht zu dem Priester sagen: „Sie können niemanden taufen, weil Sie Antikommunist sind“. Ich würde auch nicht zu dem Nächsten sagen: „Ich werde Ihr Gedicht, Ihre Schöpfung nicht drucken, weil Sie Antikommunist sind.“ Ich will in einer Welt leben, in der die Menschen nur menschlich sind, ohne jeden anderen Titel als diesen, ohne sich eine Regel in den Kopf zu setzen, ein Stichwort, ein Etikett. Ich will, dass man alle Kirchen betreten darf, alle Druckereien. Ich will, dass man niemandem mehr vor dem Bürgermeisteramt auflauert, um ihn festzunehmen oder auszuweisen. Ich will, dass alle lächelnd das Rathaus betreten oder verlassen können. Ich will nicht, dass einer per Gondel fliehen muss, dass einer auf dem Motorrad verfolgt wird. Ich will, dass die große Mehrheit, die einzige Mehrheit, dass alle reden können, lesen, hören, gedeihen. Ich habe den Kampf nie anders verstanden, als dass es keine Strenge mehr gebe. Ich habe einen Weg gewählt, weil ich glaube, dass dieser Weg uns alle zu dauernder Freundlichkeit führt. Ich kämpfe für diese allgegenwärtige, ausgreifende, unerschöpfliche Güte. Von all den Begegnungen zwischen
meiner Poesie und der Polizei, von all diesen und anderen Episoden, die ich nicht noch einmal erzählen will, und von denen, die nicht nur ich, sondern viele erlebt haben, die sie nicht mehr erzählen können, ist mir trotz allem ein unbedingter Glaube ans menschliche Schicksal geblieben, eine immer bewusstere Überzeugung, dass wir einer großen Zärtlichkeit zustreben. Ich schreibe in dem Bewusstsein, dass über unseren Köpfen, über all unseren Köpfen, die Gefahr der Bombe schwebt, der Atomkatastrophe, die niemanden und nichts auf der Erde übriglassen würde. Doch das trübt meine Hoffnung nicht. In diesem kritischen Augenblick, diesem Augenzwinkern der Agonie wissen wir, dass das Licht endgültig durch die halbgeöffneten Augen dringen wird. Wir werden uns alle verstehen. Wir werden gemeinsam fortschreiten. Diese Hoffnung ist unwiderruflich.“

Pablo Neruda: Ich bekenne, ich habe gelebt.
Memoiren.

Deutsch von Curt Meyer-Clason
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
„Confieso que he vivido. Memorias“.
Die Erstausgabe in deutscher Sprache erschien 1974.
Copyright c 1974 by Matilde Urrutia de Neruda.
Für die deutsche Uebersetzung Copyright c 1974, 1989 by
Luchterhand Literaturverlag GmbH, Frankfurt am Main