Ciao Gerd: Gute Reise

Samstag, 25. Februar 2023 | von

Du warst ein humorvoller politischer Begleiter in unserem Dreyeckland. Als junger Kommunist kämpften wir, ich als Sozialist und Grüner, Du als Jungkommunist, gemeinsam gegen das Berufsverbot, das Dich und Deine Existenz bedrohte. In der Bürgerinitiative Reichsprogromnacht 1938 zeigten wir gemeinsam in der Ausstellung in der Volksbank zum ersten mal die Photos des Abtransports der jüdischen Lörracher vom Marktplatz Lörrach in das Konzentrationslager Gurs.

Traueranzeige von Gerd Wernthaler
© schwarzwaelder-bote.de

Weitere Traueranzeigen für Gerd. Badische Zeitung

Badische Zeitung, 07. März 2023: Ein Stolperstein-Antrag für Lörrach wurde Gerd Wernthalers letztes Projekt

Du wolltest schon viel früher auf der Gemeinderatsliste der Grünen Lörrach kandidieren. Doch die Lörracher Grünen fremdelten noch mit Deiner kommunistischen Vergangenheit. Nach der Revolution der DDR-Bürger 1989 weitete dies auch das Bewusstsein der Westdeutschen, also auch der Badener.

So wurdest Du bald Gemeinderat in Lörrach – auf der Liste DIE GRÜNEN. Deinem Engagement in der IG Velo folgte die Arbeit für die Fahrradfahrer der Region. So hast Du die alte deutsche Untertanen-Regel mutig durchbrochen. Nichtmehr galt es nach oben buckeln und nach unten treten.

Viva Liberta. Es lebe das Leben, die Liebe und der Humor. Danke Gerd.

Deine Weggefährten Dagmar Baumert (Perinelli) und Dieter Emil Baumert
23. Februar 2023
 

Berufsverbot in der brd – der fall gerd wernthaler

Von andreas friedrich
ZITTIG Nr. 73 Juni 1985

Vor kurzem war der 8. Mai, zum 40 mal rangen die politiker um diesen tag, um die integrierung des denkwürdigen ereignisses der befreiung in ihr parteiprogramm in ihr verständnis von freiheit, deren verständnisse haben wir ja nun genug. Damals am 8. Mai, wurden antifaschisten, kommunisten, sozialdemokraen und andere emigranten nach hause gerufen, sie wurden zu lebenden denkmälern des widerstands gemacht, viele lebten ja nicht mehr. Doch dann ging es weiter, nicht sie hatten den krieg gewonnen, sondern andere. die, die heute wieder die industrie und die öffentliche politische meinung bestimmen. Und auch sie bestimmten, wer heute wieder die industrie und die öffentliche politische meinung bestimmen. Und auch sie bestimmen, wer heute im amt arbeiten darf und nicht. Der aufbau einer demokratie von oben kann nicht dazu führen, daß erkämpfte grundrecht auf ewig stehen, das ist nur zeitweise so und immer eine frage, die trauer um verlorene rechte genügt nicht.

im amtsgericht lörrach arbeitet grerd wernthaler, jahrgag 1957, seit 11 jahren ein treuer mitarbeiter im mittleren justizdienst. Mit 27 jahren sollte er die ehre (ist es die wirklich?) erhalten, als beamter auf lebenszeit ernannt zu werden, doch wurden ihm zweifel an seiner verfassungstreue vorgeworfen, ohne beweise wird ihm unterstellt der besuch einer dkp-veranstaltung (1979!), … einer sdaj-veranstaltung (1981), teilnahme an einer podiumsdiskussion mit vertretern der freien deutschen jugend der ddr (19829; wahl in den kreisvorstand der dkp (1982) und das mitführen eines transparents am 1. Mai 1094 mit der aufschrift „arbeit für alle, dkp“.

wieder einmal ein angriff auf das im grundgesetz verankerte recht auf freie meinungsäusserung. Die bespitzelung und überwachung zumindest funktioniert ohne großen kraftaufwand. Natürlich gibt es den spitzel, der das beweisen kann und also was soll´s. der letzte wird der nicht sein.

die existenz von andersdenkenden wird nicht durch kz bedroht, doch durch berufsverbote, das ist ja wohl eine offnsichtliche bedrohung der existenz. Das disziplinarverfahren ist eingeleitet und der justizminister entscheidet. Dass er auch das ereignis der untersuchung negieren kann, ist praktisch schon vorgekommen. Alle cdu-regierten länder zeigen ein ansteigen der berufsverbote, dem herrn brandt werfen die rührigen geister an der spitze dieser cdu primitiven antiamerikanismus vor und hier läuft der primitive antikommunismus und antisowjetismus zugleich. Sind das die formen des chauvinismus heute? Für die befreiten aus den kz des nazi-regimes, für die vielen emigranten, die in diesem teil deutschlands hoffnung hegte, ist das eines der vielen, alltäglichen schläge in die fresse und da brauchen wir gar nicht vom abbau demokratischer grundrechte sprechen, sondern sehen, was da möglich ist, das, was vergangenem sehr ähnlich ist, sehen heute genau so viele gleichgültig zu, die oberflächlich über die ereignisse hinwegsehen. Diese regenbogenfarbigen oberflächen genügen nicht mehr, denn vielleicht werden auch sie davon angetoffen, wenn sie bei rot über die straße gehen.

fordern sie den jusitzminister, dr. heinz eyrich, postfach 537, 7000 stuttgart 1, auf, das verfahren sofort einzustellen.

oder sollt der mensch gar ein ehrlichers neues grundgesetz verlangen oder, da das alte so gut ist, vielleicht gar keins mehr?

die angst ist und bleibt eines der großen phänomene des 20. Jahrhundert, behalten sie sie ruhig und tun brauchen sie dafür auch gar nichts, das machen die da oben, wie so vieles andere, auch dann kann ihnen nichts mehr passieren, außer vielleicht, dass der kollege nebenan nicht mehr da ist, und das kann ja schließlich jedem einmal passieren, also keine aufregung