Tage in Berlin

Sonntag, 9. September 2018 | von

Tage in Berlin, Ende Januar 2018.

Schöne kühle und nasse Tage. Tage um sich in Museen zu verkriechen, Tage um auf dem Sofa zu sitzen oder am Küchentisch und Zeitung zu lesen. Doch im Zeitungskorb der Kleinfamilie mit adoptiertem Asylbewerber am Mariannenplatz findet der Zeitungsleser nur ältere Ausgaben der Jungle World. Samstags liegt auf der Treppe die Wochenendausgabe des Neuen Deutschlands mit handgeschriebenem Namen des Empfängers. Die deutsche Presse oder gar die internationale – nicht vorhanden.

Was als spätpupertärer Widerstand gegen das Eindringen der Wirklichkeit noch seinen Charme hätte – auf den Strassen der Stadt gähnende Leere an Zeitungen. Wo sind sie geblieben, die Zeitungskioske? Liest keiner mehr Zeitungen oder wenn, dann nur noch online?

Nur einmal in der Nähe einer jener schicken Einkaufshallen, in denen der Gutbetuchte feinste Bäckereiwaren nach italienischem Rezept, beste französische Käsesorten, Austern und viele wunderbare biologisch angebaute Gemüsesorten zu einem annehmbaren Preis findet, (jene Vielfalt kenne ich vom Lörracher Wochenmarkt, aus der Markthalle in Barcelona oder vom Farmer Market in Chelsea New York) sehe ich ein Geschäft, welches die New York Times zum Verkauf anbietet. Hurra.

Wo sind sie geblieben, die Zeitungsleser? Auch bei uns in unserer Pension im apulischen San Pietro in Bevagna gibt es kaum mehr Gäste, die ihre Tageszeitung mitbringen oder nach ihr verlangen. So haben auch hier in San Pietro in Bevagna die zwei Zeitungskioske dicht gemacht.

Dieter Emil Baumert 6. September 2018