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DEB by Dagmar Perinelli

Welch eine Geschichte:
War Johann Peter Hebel ein Trickser?
fragt Thomas Lehner seinen Paracelsus:
www.bautz.de/bbkl/ p/paracelsus.shtml

Von Thomas Lehner sind u.a. erschienen:

Die Salpeterer
Keltisches Bewußtsein
Die Prinzessin der versunkenen Stadt
ISBN: 3932284151

Über Thomas Veser:
http://vivisimo.com
und den Namen eingeben

Gerhard Jung liest
Wurzle un Blatt
1976:
www.dialekt.ch/ mp3/…

Heimattexte

Adieu, mein Hotzenwald

Von Bernd Bornemann

Adieu, mein Hotzenwald!
Fünf Jahre noch dauert Dein Siechtum.
Dein Ende, Schwarzwald, naht schneller,
als es die ärgsten Schwarz-Wald-Maler geahnt.
Die Lieder auf Deine Tannen,
sie gerinnen zu Schwefelsäure.
Drei Tannen am Hotzenwald-Markt
werden Dich bald überdauern,
aus grünem Kunststoff und neonbeleuchtet.
Der Schwarzwald als Ware
entpuppt sich als wahrer Schwarzwald.
Nicht lange mehr grünt das Immergrün
Deiner ewig rauschenden Wälder.
Adieu mein Hotzenwald!
Deine tödliche Zukunft begann
vor einigen Jahren, im Stillen,
als wir noch hoffnungsvoll kämpften
für die Rettung des Grüns,
gegen finstre Landschaftsverkäufer
und Speicherbeckenbauer,
Damals schon nagte der Tod
an Deinen prächtigen Tannen.
Heute sehen es alle,
die sehen wollen – versteht sich:
Ein Wald geht elend zugrunde
mehr noch: es stirbt ein Symbol!
Fünf Jahre bleiben Dir noch,
mein Hotzenwald,
Du vielbesungene Heimat,
dann heißt es wie in der Hymne:
„Abschied nehmen vom Wald“.
Verbleiben werden drei Tannen
am Hotzenwald-Super-Markt,
drei giftgrüne Leuchten des Fortschritts…

Erstveröffentlichung in:
ZITTIG Nr. 59, November 1993

Grenz Gedanken

Von Bernd Bornemann

Erstveröffentlichung: 1982 in Contacts, Magazin von Thomas Veser,
Zweitveröffentlichung in ZITTIG, Nr. 49, Dezember 1982

Meine Zusage für einen Beitrag in contacts war spontan gewesen. Mir hatte die Idee und die Form dieses Grenzland-Journals gefallen. Vor allem hatte mich das Erlebnis eines grenzüberschreitenden Festes im eigenen Hotzen-Haus zum Schreiben animiert.

Inzwischen aber ist ein gutes halbes Jahr verstrichen und ich habe das vertraute Dreyecksland verlassen, um in einem anderen Grenzgebiet mein berufliches Glück zu versuchen. Jetzt stecke ich in jenem Zipfel der nordöstlichen Bundesrepublik, wo sich Has´ und Schwinigel Gute Nacht sagen: an der Zonengrenze, oder korrekter: der „Staatsgrenze zur DDR“, am Ufer des Ratzeburger Sees.

In den Weihnachtsferien bin ich allerdings wieder in den Hotzenwald gefahren, der mir als gebürtigem Norddeutschen zu einer zweiten Heimat hätte werden können. Ein nicht zufälliger Unfall führte mich gleich am Heiligen Abend ins adrette Säckinger Krankenhaus, wo ich endlich Muße zum Schreiben fand.

Das Fest in unserer Hotzenhaus-Scheune kommt mir noch einmal in den Sinn. Damals an einem strahlenden Frühsommertag, hielt ein großer Car in unserem kleinen Weiler auf dem Wald, um eine schier endlose Schar von Basler Studenten strömte in das Halbdämmer unserer Scheune.

Der gute französische Rotwein tat bald seine Wirkung: man begann aufzutauen. Fröhliche, unkomplizierte Leute der Historiker-Exkursion auf den Spuren der rebellischen Salpeterer bei uns zusammengekommen, um nun in geselligem Rahmen ihre geschichtlichen Eindrücke zu vertiefen.

Roland Kroell, der Salpeterer-Barde, fesselte uns mit seinem urigen Dudelsack- und Scheitholzspiel und seinen alten und neuen Liedern vom Freiheitsgeist in unserm immer noch arg schwarzen Walde. Und Thomas Lehner, einer der wenigen Lichtblicke am Südwestfunk, erzählte uns in seiner sanften Art denkwürdige Begebenheiten aus der Salpetergeschichte.

Grüne Hoffnungen klangen an, und wir alle, Schweizer wie Deutsche, waren uns wie selbstverständlich einig in der Vision eines unzerstörten Heimatraumes, einer Regio ohne Zollkontrollen, Fremdenpolizei und Katastrophenpläne.

Singend und lachend und einander sehr nahe gekommen, gingen wir spät abends wieder auseinander. Ich glaube heute noch, wir haben auf diesem Fest ein kleines Stück Regio-Geschichte gemacht, einfach indem wir uns im Bewußtsein der Gemeinsamkeit unserer Kultur und einer nur gemeinsam sinnvoll zu bewältigenden Zukunft zusammenfanden.

Ich verlasse daher meine „geistige Heimat“, das Dreyecksland in der Gewißheit, daß sich viel im Verhältnis gerade der jungen Grenzländer zum Guten gewendet hat.

Wenn ich dagegen an meine Studienzeit in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren zurückdenke, so kommen die Vorbehalte in Erinnerung, dessen ich mich damals als Deutscher noch vielfach ausgesetzt sah.

Ein Teil der unseligen deutschen Vergangenheit haftete eben auch an mir, obwohl ich das, als vermeintlich Unbeteiligter, nicht akzeptieren wollte. Häßlich Zusammenstösse mit der Polizei ließen mir eigentlich gegen meine Willen, chauvinistische Züge aufkeimen.

Heute kann ich über diese Schwierigkeiten bei der Grenzüberschreitung fast lachen. Denn zu den vorurteilslosesten und treuesten Freunden gehören ausgerechnet einige Basler Studenten von einst.

Wie schwer es mir dagegen fiel, im eigenen Lande, d.h. hier im grenznahen Hotzenwald, mit den Menschen klarzukommen, davon muß ich ehrlicherweise auch berichten.

Glaubte in zunächst mit meiner „preussischen“ Sprache nur in der Schweiz auf Zurückhaltung zu stoßen, so bekam ich hier als „Zugereister“ bald die Ressentiments vieler „Eingesessener“ zu spüren. Denn ich machte wohl einen entscheidenden „Fehler“: ich benutzte meine Sprache, als „Neubürger“, nicht zu Anpassungszwecken, sondern vor allem zur Aufdeckung der horrenden Umweltsünden in diesem Gebiet, etwa die Zerstörung von Hochmooren durch Energieanlagen in Zusammenhang mit dem AKW-Bau.

Solchermaßen als Kritiker der Interessen der herrschenden Kreise an die Öffentlichkeit getreten, bekam ich sehr bald die volle Rache der Macher zu spüren. Es war für mich als aus der Schweiz in meinen Heimatstaat Zurückgekehrten eine besondere Überraschung, hier nun als Mensch disqualifiziert zu werden, der „nicht unsere Sprache spricht“, also den Mund zu halten hat. So weit war man im Ausland wahrlich nicht gegangen.

Wenn ich also anfangs fast schwärmerisch von unserm Hotzenwaldfest berichte, so muß ich eben leider auch eingestehen, daß unser Haus mit seinen Umwelt-Aktivitäten und seinen vielen grenzüberschreitenden Kontakten in die Schweiz und ins Elsaß, mir stets wie eine grüne Insel in einem schwarzen Meer vorgekommen ist.

Denn hier auf dem mehr als konservativen „Wald“ scheint man sich geradezu hartnäckig gegen das Aufkommen jedes neuen zukunftsweisenden Gedanken zu sperren, auch wenn man neuerdings spektakuläre große Verschwisterungs-Feiern mit französischen Städtchen abhält (Weiss man hierzulande wohl, daß in Frankreich gar Kommunisten in den Ratshäusern sitzen?).

Schon als einziger grüner Gemeinderat hatte ich zwischen den etablierten Herren nichts zu lachen gehabt. Selbst hinter einer netten SWF-Sendung von Thomas Lehner über unsere Gemeinde, – mit Salpeterer-Einlagen – hatte der Bürgermeister noch Subversives und Staatsfeindliches gewittert.

Die Barrieren im eigenen Lande sind oft größer als zwischen den Nationen und sie abzureißen, kostet viel Geduld und Kraft, die ich jedenfalls nicht aufgebracht habe.

In der hiesigen, meist vereinsgesteuerten klerikal bevormundeten, oft genug von Alkohol und Autos berauschten Jugend war kaum Rückhalt zu finden. Diese arme, unmündig gehaltene Wälder-Jugend ist von Haus aus für neonazistisches Gedankengut in der Regel aufgeschlossener als für alternative Ideen.

Wir Deutschen sind demgegenüber viel zu ängstlich und kleinmütig und erheben lieber den moralischen Zeigefinger gegenüber dem Nachbarn anstatt ihn ab und zu nachdenklich an die eigene Stirn zu legen. Das materielle Wohlergehen, das wir merkwürdigerweise vom geistigen trennen, enthebt uns offenbar der Notwendigkeit, für unser Überleben, unsere Freiheit und unsern Frieden selbst Entscheidendes zu tun.

Müssen wir nicht das starre Denken in militärischen Blöcken, in sturen strategischen Kalküls ablegen, wenn wir nicht ein Opfer dieser Beschränktheit werden wollen? Wir können in Deutschland, glaube ich, vieles von den kleinen Nachbarländern – der Schweiz, Österreich, Holland, Dänemark – lernen.

Gemeinsam mit den Menschen dieser Länder können wir uns gegen die Anmaßung der Rüstungsmächte wehren. Die wache europäische Jugend hat bereits vieles von dem begriffen, was künftig not tut. Es ist ja ihre Zukunft und nicht die der alten Männer Reagan, Breschnjew, Schmidt und Honecker, die auf dem Spiel steht!

Jeder grenzüberschreitende Kontakt, den wir beherzt herstellen, jeder friedliche Widerstand, den wir dem Druck der alten Herrschaft entgegensetzen, ist ein klarer Beitrag zum Abbau des uns allen bedrohenden, ausweglosen Gewaltdenkens. Dabei ist uns sicherlich klar, daß das Abbauen der Grenzen, Vorurteile und Ängste in uns selbst am Anfang stehen muß.