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DEB by Dagmar Perinelli

Di Ciaula, Tommaso
Das Bittere und das Süße
Über die Liebe, das Scherenschleifen und andere vergessene Berufe
Wagenbach Taschenbücherei,
Berlin – leider nur noch antiquarisch
erhältlich bei www.zvab.de

Welch eine Geschichte: auch eines meiner italienischen Lieblingsbücher. Eine Geschichte vom Leben in Apulien.

19 Jahre später leben wir in Apulien.
Geschichten, die das Leben schreibt.
Komm doch – vielleicht mit Marga? – vorbei, lieber Wilfried: www.baumert.it

Dieter Emil Baumert 2002-11-06

Anmerkung 2005-05-26 Dieter Emil Baumert:

Liebe Marga, Gruss auf Wolke Sieben, schau mal runter auf uns. Wir denken an Dich.

Heimattexte

Von ET, dem Griechen und Tommaso Di Ciaula

ZITTIG Nr. 54 März 1983

Von ET, dem Griechen und Tommaso Di Ciaula

VonWilfried Merkel

Es ist Samstag abend, seit 7 Wochen läuft ET. Ich geh ins Kino. Es ist 20 Uhr 5. Seit 5 Minuten läuft der Film . Einmal ET. „Tut uns leid“, ausverkauft. Soll ich mich ärgern, mich freuen, daß manche Filme solchen Erfolg haben? Ich weiss nicht. Ich kann mich nicht entschließen nach Hause zu fahren. Ein Gang in unseren Bücherladen wird mich in jedem Fall inspirieren.

Ich brauche nicht lange, vor zwei Tagen habe ich ein neues Buch entdeckt. Der eigenartige Titel sprach mich an, nichtssagend der Autor. Tommaso Di Ciaula. Ich stecke das Buch ein. Bei einem Glas Bier ein bißchen lesen. Das könnte es sein für den Abend. Ich fahre in Richtung Herten, die Rheinterasse, ein Inserat „griechische Spezialitäten“, an das ich mich erinnere. Besitzerwechsel, ich halte.

Ziemlich besetzt, ich suche ein ruhiges Eckchen, finde eines, setze mich, behalte den Mantel an, fühle mich noch etwas fremd. Die Bedienung kommt, reicht mir die Karte, freundlich. Griechische Spezialitäten, das Inserat stimmt. Ich betrachte den Mann an der Theke, die Bedienung, Südländer sind es in jedem Fall, es müssen Griechen sein.

„Was ist Oktopus?“ höre ich mich fragen. Die Bedienung lächelt, „das ist Oktopus, man sagt auch in Deutsch so“. „Ist das ein Fisch?“ hake ich nach, ratend, dunkel erinnernd. Sie nickt.

Also einmal. Ich hätte Lust auf ein Bier. So ganz stimmen kann es anscheinend nicht. Was empfehlen Sie mir dazu? „Einen Wein“. Ich nicke. Sie: „Einen weißen oder einen Roten?“
Ich bin nach wie vor unsicher, frage direkt: „Was meinen Sie?“ Einen Weißen, trocken. Sie lächelt. Gut, „Bringen Sie mir einen Weißen.“
Ich lächle auch, freue mich, sicher gut beraten zu sein, lasse meinen Mantel hinter mir auf die Bank fallen.

Tommaso Di Ciaula: „Das Bittere und das Süße“ so der Titel. Das Buch liegt vor mir. Ein Töpfer im Vordergrund, ein sich küssendes Paar im Hintergrund, ich betrachte den Umschlag. „Über die Liebe, das Scherenschleifen und andere vergessene Berufe“, so der Untertitel der mich in Bann zog. Süditalienischer Alltag, in einfacher Sprache berichtet der Autor von dem was war, von dem was ist. Ich schaue den Griechen an der Theke an, freue mich, daß es ihn hier gibt. Vor genau 14 Tagen hat er das Lokal übernommen. Ich denke an die zahlreichen Italiener und deren Pizzerien. Ausländerfeindlichkeit fällt mir ein und ich frage mich warum. Mein Oktopussalat kommt. Am Wein habe ich schon genippt. Alles stimmt. Warum soll ich ausländerfeindlich sein?

Arbeitsplätze? Ich kann nicht erkennen, daß einer dieser Freunde uns einen Platz wegnimmt. Im Gegenteil. Was ich sehe sind Menschen, die ein wenig Farbe in unser Grau bringen, fleißig sind, dort noch etwas zuwege bringen, wo die Deutschen nichts mehr tun. Nicht immer. Manchmal bin ich wütend, rege mich auf, in der Regel dann, wenn ich nicht mehr durchblicke und alle mir auf den Geist gehen. Was soll’s, also das ist, glaube ich, normal.

Das Buch ist gut, der Salat ist gut, der Wein schmeckt, schmeckt, schmeckt. Ich gleite ein wenig. Schaue auf die Seitenzahl 55, sie gibt mir mehr Halt als der Text, der mich weiterzieht. Ich bin glücklich, erinnere mich an Dieter, möchte von allem ein wenig mitteilen, nehme mir vor davon zu schreiben, dem Buch viele Leser wünschen, dem Griechen viele Gäste. Was soll ich noch berichten?

Daß ich das Mädchen nach dem Wein fragte? Sie mir ein Wort sagte, das ich nicht verstand und doch lobte, sie anlächelte, ihr ein Trinkgeld gab und sie rot wurde, ich das Erröten auch bei mir spürte und auf Wiedersehen sagte. Seht selber, geht selber. Ich freue mich für den Abend und diesen Text. Unangefochten fühle ich mich glücklich und freue mich. Für Dich, für mich. Es lebe Griechenland und Tommaso Di Ciaula.