DEB, 1990 Australien, by Dagmar Perinelli

Dioxin bei Dynamit Nobel, Rheinfelden

ZITTIG, NR. 65
September 1984

Werkstatt
Unerwartet trat das thema dioxin in unsere redaktionsstube. auch uns – oft nur vermeintlich – alternativen redakteuren geht es da wohl wie den meisten zeitgenossen. ein problem wird so lange verdrängt, nicht behandelt oder am rande zur kenntnis genommen, bis es dann eines tages „unerwartet“ da ist – im alltag von dir und mir. und eben so ging es uns diesen sommer. ein monat recherche zeigt sich nun und liegt hier vor. wir hoffen, unsere leser haben für die umfangreiche berichterstattung verständnis. als einzige zeitschrift legen wir auch ausführliche auszüge aus den boehringer-akten vor, die für die leser aus dem dreyeckland besonders lesenwert sind.

Tote Babys im Giftwind von Boehringer

Von Uli Schleith

(Text)

Supergift Dioxin – Der unheimlich Killer

Hans-Dieter Degler/Dieter Uentzelmann (Hg), Rowohlt-Verlag

Besprechung von Dieter Baumert

(Text)

Geschäftiges Treiben um die Deponie Karsau im Sommer

Ein Bericht von Dieter E. Baumert

(Text)

Kommentar von Dagmar Perinelli

erschienen in: ZITTIG Nr. 65, September 1984

Viele Kriminalromane, viele Horrorgeschichten fangen mit Dingen an, die einen oft erst mal verwirren. „Was hat das denn mit der Handlung zu tun“, denkt man und liest weiter, denn man weiß aus Erfahrung, dass viele Puzzlestückchen zu dem ganzen Arrangement eines guten Krimis gehören. So auch bei dieser Story.

Überschrift „Dioxin“, Ort der Handlung „Rheinfelden“. Was am Anfang so scheinbar unwichtig ist, wird schnell zu verständlichen Puzzlestückchen, wenn man sich erst einmal eingelesen hat. Um „Gifte“ geht es bei diesem Stück. Und wie im Film bleiben auch hier die Macher ganz cool, die Blöden sind immer die nicht informierten Handlanger, die lässig eingesetzt werden für die Geschäfte, die ganz großen Deals. Und auch hier geht es wie bei den ganz großen Bossen nur ums Geld, die Kasse muss stimmen – und sie stimmte bis jetzt.

Nun kommen die „grünen Männchen“ in den Streifen und bringen die Manager aus dem selbstgefälligen Gleichgewicht. Sollen sie zu Fall gebracht werden? Das Ende ist noch offen. Nur, mir erscheint es richtiger, auch diese Menschen zur Einsicht zu bringen, denn sie atmen die gleiche Luft, trinken das gleiche Wasser, haben Kinder – kranke und gesunde -, haben Enkel, sind einsam oder sind glücklich. Sie sind wie Du und ich, aus dem gleichen Stoff, nur haben sie ihr Verantwortungsgefühl verkauft. Kann man es zurückkaufen?

Dokumente beweisen: Dynamit Nobel lügt.

Aus den Boehringer-Unterlagen

Auszüge

Die kriminellen Machenschaften der Firma Dynamit:
Sagen Sie die Wahrheit, Herr Landrat Leible.

Ein Kommentar von Dieter E. Baumert

erschienen in: ZITTIG Nr. 65, September 1984

ZITTIG-Werkstatt
November 1984

Einen Purzelbaum im argumentieren hat Landrat Leible wegen der Informationsverweigerung für die ZITTIG geschlagen: die Sondersitzung in Rheinfelden richtete sich nur an einen ausdrücklich benannten und von der Firma Dynamit Nobel akzeptierten Personenkreis, zu dem auch Pressevertreter gehörten. Aber wohl nicht die ZITTIG. Keine Diskriminierung, Herr Leible? Der Gipfel der Unverschämtheit erreichte Leible allerdings mit dem Ausschluß des grünen Kreisrates Uhrig auf jener Sitzung. Weil Uhrig der Dynamit Nobel ein Dorn im Auge ist, schlossen die Giftmischer den Volksvertreter einfach aus und Landrat Leible segnete diese ebenso ab, wie die anderen Kreisräte. Anstatt auf der Stelle den Saal zu verlassen, ließen die Kreisräte den unsensiblen Landrat gewähren. Dafür müssen nach der jetzigen Kommunalwahl einige der Herren gehen. Ich befürchte, daß der Wähler noch manche Stimmenzugewinne für eine bestimmte Partei organisieren muß, damit sich in den Köpfen etablierter Politiker sich wirklich etwas verändert!

LANDRAT LEIBE: VORWURF DER BEHINDERUNG DER BERICHTERSTATTUNG UNBEGRÜNDET

Die Überprüfung der Rechtslage hat ergeben, daß Tonbandaufnahmen in einer öffentlichen Sitzung, wenn sie nicht der Niederschriftsfertigung dienen, nur mit vorheriger Genehmigung der Redner zulässig ist. Diese Rechtsauffassung wird in der Literatur vertreten und an dieser Rechtslage hat sich der Kreistag und Verwaltung seit Jahren orientiert (vg. im einzelnen Seeger, Handbuch für die Gemeinderatssitzung, 3. Auflage, S. 90; Kunze/Schmid/Rehm, Kommentar zur Gemeindeordnung Baden-Württemberg, 3. Auflage, Paragraph 35 Anmerkung I 2 und Urteil des OLG Köln vom .1.03.1978, DVBL. 1979/523).

Ihr Vorwurf, ich hätte am 12. 09. 1984 Ihre freie Berichterstattung behindert, ist somit unbegründet. Es stand Ihnen – wie allen anderen Zuhörern – frei, die Diskussion zu verfolgen und auch über deren Inhalt Notizen zu machen.

Unbegründet ist auch der weitere Vorwurf der Ungleichbehandlung verschiedener Presseorgane. Vor der Sitzung am 27.09.1984 habe ich Herrn Kehm vom Südwestfunk ausdrücklich gebeten, von Tonbandaufnahmen während der Sitzung abzusehen, und ich habe auch nicht festgestellt, daß Herr Kehm sich daran nicht gehalten hätte. Herr Kehm hat Ihnen gegenüber, wie er mir sagte, diesen Sachverhalt auch bestätigt. Dem steht auch nicht entgegen, daß während der der Sitzung vorangegangenen Besichtigung der Deponie Karsau von ihm Tonbandaufnahmen gemacht worden sind.

Ihre weitere Beanstandung, daß Ihre Presseagentur nicht zur Sondersitzung des Umweltausschusses am 27.09.1984 in Rheinfelden eingeladen wurde, ist richtig. Diese Sitzung hat bekanntlich innerhalb des Werks der Firma Dynamit-Nobel in Rheinfelden stattgefunden. Die Einladung der Dynamit-Nobel war bereits im Frühsommer ergangen. Sie richtete sich ausschließlich an die Mitglieder des Umweltausschusses und an einen ausdrücklich benannten und von der Dynamit Nobel akzeptierten Personenkreis, zu dem auch Pressevertreter gehörten.

Tatsächlich war der zur Verfügung stehende Besprechungsraum von seiner Größe her nicht geeignet, noch weiteren Personen Platz zu bieten. Ich habe deshalb zunächst erwogen, die Sitzung außerhalb des Werkes abzuhalten. Ich habe diese Überlegung aber dann nicht mehr in Betracht gezogen, als mir die Werksleitung erklärt habe, daß sie nur zu einer Aussprache in ihren eigenen Räumen bereit sei. Im Interesse einer möglichst umfassenden Diskussion mußte ich dies schließlich akzeptieren, da der Ausschuß gerade auf die Aussprache mit den Vertretern der Werksleitung besonderen Wert legte.

Angesichts dieser Sachlage ist der Vorwurf der Diskriminierung Ihrer Presseagentur durch die Verwaltung nicht begründet.

Ich hoffe, daß ich mit diesem Schreiben Ihre diversen Beschwerden ausräumen konnte.

Leible,
der Landrat des Landreises Lörrach

Weitere Veröffentlichungen zum Thema in der ZITTIG