DEB by Dagmar Perinelli

Unsere Schwierigkeiten mit der Obrigkeit

ZITTIG SEPTEMBER 1981
NR. 40

Auszug aus Titelseite:

fall 2: er heisst hugenschmidt und ist oberbürgermeister. er herrscht patriarchalisch über seine stadt. seit 15 monaten will die ZITTIG regelmässig von ihm presseinformationen, um leichter hinter die kulissen seiner macht sehen zu können. erst die massive intervention des ZITTIG-anwalts erreichte etwas. DIE CHRONIK DIESES ERFOLGS BEIM BOHREN DICKER BRETTER AUF SEITE 14.

Auszug aus Seite 2:

müde bin ich geh,zur ruh
mache meine ZITTIG ZU

hereinspaziert, verehrtes publikum, nach langer sommerpause sind wir wieder da mit all unseren tricks. für 2 stutz sind sie dabei. in
unserer spätsommerlichen nummer können sie….

den hugenschmidt im pressekäfig knurren hörn.

ERFOLG BEIM BOHREN DICKER BRETTER

von dieter e. baumert

nach 15 monaten wird die stadtverwaltung lörrach meiner bitte entsprechen, „der ZITTIG regelmässig für die lokalzeitungen üblichen
presseinformationen zukommen zu lassen, da wir beabsichtigen in unserer regionalzeitschrift ZITTIG ab sofort ausführlicher über geschehnisse im lokalbereich zu berichten“ (brief an die pressestelle des rathauses vom 1. märz 1980).

15 monate hartnäckiges bohren dicker bretter vor den köpfen bestimmter leute, hat also in diesem fall geholfen. weil dem kleinen vorfall aber grössere bedeutung zukommt für die einschätzung demokratischer qualitäten hinter den schreibtischen lörracher verwaltungsbeamter, zeichne ich kurz diese odysee durch einen labyrinth lörracher verwaltungsstuben auf. nicht zuletzt deswegen, um bei der ähnlichen auseinandersetzung mit der lörracher polizei ein informiertes publikum zu haben: dies ist bekanntlich das beste.

I EIN BRIEF GEHT VERSCHÜTT

am 7. märz gebe ich den brief (s.o) bei der post ab: an die pressestelle des rathauses, per einschreiben. ich warte. keine antwort.

am 28. mai 1980 schreibe ich wieder per einschreiben und wiederhole die bitte: „bis zum heutigen tag hielten sie es für nicht notwendig, uns diese zu übersenden, geschweige denn uns zu antworten. Wir setzten ihnen hiermit eine frist bis zum 15. juni. ansonsten werden wir unseren anwalt einschalten und weitere rechtliche schritte gegen sie in dieser sache unternehmen.“

darauf antwortet ratschreiber jung und meint diesen brief habe er nie erhalten.

am 17. juni 1980 wiederspreche ich herrn jung und schreibe u.a.:“ vielleicht erforschen sie einmal, in welchen amtszimmernt dieser brief verschwunden ist. angekommen ist er sicher (PER EINSCHREIBEN)…nach klärung dieses sachverhalts gehen wir davon aus, dass der übersendung von presseinformationen ihrerseits nichts im wege steht.“

leider klärt ratschreiber jung mich nicht auf, wo denn jetzt eigendlich der brief gelandet sei.

II UNSERE PRESSEMITTEILUNG HABEN FÜR SIE KEINEN WERT

am 3. juli 1980 schreibt mir ratschreiber jung zurück: „ihr einschreiben vom 17.6.1980 (eingang ((zuerst getippt: 30. dann handschriftlich korigiert. D. Verf.)) 26.6.1980)

Sehr geehrter Herr Baumert!

Mit Interesse haben wir Ihr Schreiben gelesen und auch die beigefügten Exemplare der „ZITTIG“ angesehen. Wir bezweifeln, ob Sie unserer Pressemitteilungen für Ihre „ZITTIG“ überhaupt brauchen können; handelt es sich doch vorwiegend um Bekanntmachungen und Berichte über allgemeine städtische Dinge.“ dann zählt er 20 pressemitteilungen der letzten zeit auf und schlieszt: „Aus dieser Aufzählung mögen Sie nun selbst beurteilen, ob diese Pressemitteilungen für Sie überhauptt von Wert sind. Alle diese Mitteilungen stehen meistens schon am Tag nach der Herausgabe in den beiden Lörracher Tageszeitungen. Sollten Sie trotzdem diese Mitteilungen erhalten wollen, so lassen Sie uns dies wissen.“

also, der herr jung – so scheint es – hat nichts dagegen, dass die ZITTIG die informationen bekommt. also teile ich ihm am 16.
juli mit, dass wir natürlich die informationen woolen und „danken ihnen noch einmal für ihre bemühungen und hoffen auf gute zusammenarbeit.“

III DER ZUSTÄNDIGE IST IN URLAUB UND ICH BIN NICHT ZUSTÄNDIG!

aber das war wohl der freundlichkeit zuviel. denn am 29. 7. teilt mir das hauptamt mit: „Herr Ratschreiber Walter Jung, der für die
Oeffentlichkeitesarbeit der Stadt zuständig ist, befindet sich zur Zeit im Urlaub. Nach Rückkehr von Herrn Jung aus dem Urlaub werden wir ihm Ihr obiges Schreiben zur weiteren Beurteilung vorlegen.“

als am 1. oktober noch immer keine antwort da ist, werde ich böse: „wir fordern sie zum letzten mal auf, uns regelmässig die städtischen informationen zu übersenden. sollten uns die ersten informationen nicht bis zum 15. dieses monats zugegangen sein, übergeben wir die angelegenheit unserem anwalt.“

dummerweise hat herr jung am 5. oktober „eine mehrwöchige Kur angetreten. Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub hatte er mit Schreiben vom 3.9.1980 den Städtetag angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten. Diese Stellungnahme liegt bisher leider noch nicht vor.“ teilt mir dann am 9. oktober der herr bürgermeister persönlich mit (!) und fährt fort: „Nach unserer eigenen
Ueberprüfung kommen wir jedoch zu dem Ergebnis, dass wir – wie bisher – nur die in Lörrach mit einer Geschäftsstelle vertretenen
Tageszeitungen mit unseren Pressebereichten informierten werden.

Demgegenüber ist Ihre „ZITTIG“ keine Tageszeitung, da sie zur Zeit nur monatlich erscheint.“ ob der herr bürgermeister seine lauscher in unserer redaktion sitzen hat, dass er von unseren bestrebungen gehört hat, zur tageszeitung umzustellen? doch spass beiseite, weiter im text: „Rechtsgrundlage für die Erteilung von Presseinformationen ist unsererseits Paragraph 20 der Gemeindeordnung. Nach dieser Vorschrift unterrichtet der Gemeinderat die Einwohner durch den Bürgermeister über wichtige Angelegenheitenin der Gemeinde. Einer dieser Informationswege ist der Weg über die Tageszeitungen, wie er in Lörrach seit Jahren praktiziert wird. Dagegen informieren wir nicht Presseagenturen, Verlage usw. mit den üblichen Informationen für die Tageszeitungen.
Aus diesem Grunde besteht auch unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG kein Grund oder Anlasz, Ihrer Agentur oder Ihrer „ZITTIG“ diese Information zur Verfügung zu stellen, zumal dies dann aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes dazu führen würde, dass noch weitere Institutionen zu berücksichtigen wären. Im übrigen gehen wir auch davon aus, dass Ihr Anwalt, dem Sie die Sache übergeben wollen, Ihnen keine andere Rechtsauskunft geben kann.“

NACH ABSAGE DURCH DIE STADT SCHALTET SICH DER JOURNALISTENVERBAND EIN.

dr. alfred gerschel vom deutschen journalistenverband in bonn antwortet auf meine anfrage unter anderem: „Nach Paragraph 4 Abs. 4 des Landespressegesetzes für Baden-Württemberg vom 14. 1. 64 haben Sie einen Anspruch darauf, mit amtlichen Bekanntmachungen von Lörrach ebenso wie die ortsansässigen Zeitungen zu bekommen. Als Regionalzeitchrift sind Sie nach sachlichem und örtlichem Wirkungskreis sowei Aufgabenbereich, Abnehmerkreis und Interessenten gleichartig mit den ortsansässigen Zeitungen. Die Vorschrift verneint klar ein Monopol der Zeitungen.“ Dr. Gerschel empfhielt „die Sache gütlich zu Ihren Gunsten zu bereinigen.“ zunächst meint er, vielleicht ein vertreter des landesverbandes im gespräch mit der stadtverwaltung.

dies macht dann auch telefonisch der geschäftsführer des südwestdeutschen journalistenverbandes, hans albert stechl im januar. ratschreiber jung bezieht sich auf den bestehenden briefwechsel. seine position will er nicht ändern.

  

KLAGE AN DIE NEUE BESCHWERDESTELLE DES GEMEINDERATES

am 23. märz 1981 lege ich dann bei der neugegründeten beschwerdestelle des gemeinderates beschwerde ein: wir sehen in der entscheidung der lörracher stadtverwaltung eine grundgesetzwidrige und bürgerferne handlung und erhoffen uns von dem beschwerdeausschuss des gemeinderates eine korrektur dieser position.“

DER RECHTSANWALT SCHALTET SICH EIN.

am 28. april zeigt das rechtsanwaltsbüro ohlenhusen und koll in freiburg der stadtverwaltung die anwaltliche vertretung an. darin
schreibt der ehemalige swjv-geschäftsführer und jetztige rechtsanwalt stechl u.a.: „ Ihre ablehnende Haltung in dieser Angelegenheit entspricht nich der Rechtslage. Nach Paragraphf 4 Abs. 1 des Baden-Württembergischen Landespressegesetzes sind Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Unter Pressevertretern versteht man all diejenigen, deren Aufgabe die Beschaffung oder Verbreitung von Informationen ist, also u.a. Nachrichtenagenturen, Reporter, Redakteure, ebenfalls freie Journalisten. Dass Herr Baumert hierunter fällt, liegt auf der Hand.

Dass der Zweck des Ersuchens ein Publikationsinteresse ist, ergibt sich aus der von Herrn Baumert regelmäßig herausgegebenen „ZITTIG“, die Nachrichten und Informationen aus
dem Dreiländer-Eck und damit auch aus dem Bereich der Stadt Lörrach enthält.

Anlässlich der oben genannten Telefongespräche wurde seitens der Stadtverwaltung Lörrach zum Ausdruck gebracht, das Informationsrecht
besteht für sog. „Alternativblätter“ nicht oder nur eingeschränkt. Dieser Auffassung kann jedoch in keiner Weise gefolgt werden.
Löffler/Rischker führen in ihrem Handbuch des Presserechts hier unter Paragraph 19 II 7 aus: „Verfehlt wäre es, das Auskunftsrecht generell nur der „seriösen“ und „zuverlässigen“ Presse zuzuerkennen. Sind diese Begriffe ohnehin schon schwierig definierbar, so wäre bei ihrer Anwendung auf die Presse und die journalistische Tätigkeit, deren Lebendigkeit gerade erst aus der Subjektivität erwächst, einer
willkürlichen Beurteilung der Weg geebnet. Statt eine konkrete Ausgestaltung der Pressefreiheit zu sein, käme dann Paragraph 4 LBH die Bedeutung einer grundrechtseinschränkenden, ja grundrechtaufhebenden Norm zu.“ aus all dem ergebe sich, dass ich bzw. die presse-agentur bzw. die ZITTIG die städtischen informationen bekommen müsse. bis zum 15. mai geht er davon aus, dass „die Angelegenheit bis dahin geregelt ist.“

am 14. mai bringt FDP-stadtrat jensch den punkt im hauptausschuss vor (siehe brief auf der leserbriefseite). bis in 14 tagen
will die verwaltung ein rechtsgutachten erstellen. am 19. mai mahnt RA stechl die verwaltung erneut an.

ENDRUNDE: STADTVERWALTUNG K.O.

am 26. mai (eingeworfen am 29. mai) schreibt stadtrechtsdirektor dressel an das anwaltsbüro:

„In obiger Sache teilen wir Ihnen mit, dass wir Ihr Schreiben einem Rechtsreferendar zur Erstellung eines Rechtsgutachtens übergeben haben. Dieses Rechtsgutachten liegt uns vor und es bleiben auch jetzt durchaus noch Fragen offen. Eine Monatszeitschrift unterscheidet sich in einigen Punkten von einer Tageszeitung. Ihr Mandant ist daher gar nicht in der Lage, aktuell zu berichten, so dass Mitteilungen über kurzfristige Verlegungen der Müllabfuhr oder über eine kurzfristige Umleitung im Strassenverkehr o.ä. weder Ihrem Mandanten etwas bringen noch für ihn im Rahmen einer Monatszeitschrift verwertbar sind.

Eindeutig ist für uns allerdings dass eine insoweit durchzuführende Aussonderung von Pressemitteilungen noch mehr Schwierigkeiten und vor allem einen erheblichen Verwaltungsaufwand machen würde.

Wir haben deswegen mit gleicher Post die Pressestelle unseres Hauptamts gebeten, künftig Ihrem Mandanten alle Pressemitteilungen der Stadt zu übersenden und sehen damit die Angelegenheit als erledigt an. Ihrem Mandanten, Herrn Dieter Baumert, haben wir direkt eine Mehrfertigung dieses Schreibens übersandt. Mit freundl. Grüssen.“