DEB by Dagmar Perinelli

Warum Martini und Scharf gehen mussten

DER FALL BADISCHE ZEITUNG RHEINFELDEN

Sieben Jahre arbeitete Jürgen Scharf für die BADISCHE ZEITUNG: in Donaueschingen, Blumberg, Freiburg und Rheinfelden. Al er in der Industriestadt zu kritisch wurde, feuerte ihn der Verlag.

Scharf brachte, ähnlich wie Martini und viele andere Kollegen, einen neuen Pfiff in die verkalkte Zeitungslandschaft der Region. Das ausschließliche Abdrucken von Vereinsnachrichten der Hasenzüchter und ähnliches behagte ihm nicht. Er wollte kritischen Journalismus praktizieren. Bei den Lesern kam das an. Von Jahr zu Jahr stieg die Auflage der BZ Rheinfelden um ca. 300 Exemplare, während die des SÜDKURIERs um die gleiche Zahl sank. Aber was dem Bürger gefällt, muss den Honoratioren noch lange nicht gefallen. Und so war’s dann auch. Als BZ-Redakteur Dietsche eine Glosse über den Herzkranken Ex-SPD und späteren CDU-Stadtrat Münch brachte, rotierte die Prominenz: Anrufe bei der Verlagsleitung in Freiburg. Ergebnis: Scharf wurde mitgeteilt, dass er solche Artikel zu verhindern habe, er müsse sie schließlich als Lokalchef vorher lesen. Scharf dachte nicht daran, seinen Mitarbeitern einen Maulkorb umzuhängen. Als in Rheinfelden dann die Wahl des Oberbürgermeisters vor der Tür stand, hatte die CDU ihr strategisches Konzept gegen die Redaktion perfektioniert. Täglich riefen fünf bis zehn Anrufer an und beschwerten sich über Ungleichbehandlung mit der SPD in der Rheinfelder Ausgabe der BADISCHEN ZEITUNG. Als nach einem monatelangen Hick-Hack sich Redaktion, Verlag und CDU trafen, schien es, als wären die Wogen geglättet. Aber CDU-Verlierer Richter gab weiterhin der BZ die Schuld an der Niederlage. Den „roten Dietsche“ (Dietsche war SPD-Mitglied) hatte er schon abgeschossen, nun war Scharf an der Reihe.

Als der freie Mitarbeiter Thomas Veser ein nettes Feature über den Sparkassen-Tag brachte, wurde wieder nach Freiburg gerannt. Darauf donnerte der neue Geschäftsführer Dr. Günther Klumbsch Scharf zusammen: „Man kann doch nicht gegen die Macht im Staate schreiben.“

Als Scharf im Rheinfelder Umweltkonflikt immer kritischer Stellung bezog, verteilte der Betriebsrat der Dynamit (Betriebsratschef: Werner Nuss, SPD-Kreisrat) vor den Toren Abbestellscheine für die BADISCHE ZEITUNG. 60 bis 70 Abbestellungen gingen daraufhin beim Verlag ein. Der Verlag versuchte mit einer einstweiligen Verfügung dies zu unterbinden, kam jedoch in zwei Verhandlungen in Freiburg und der Berufungskammer in Karlsruhe nicht durch. Urteil des Gerichtes: „Boykottaufrufe seien ein Mittel des geistigen Meinungskampfes und damit legitim“. Der Verlag gab auf und ging dagegen nicht in die nächste Instanz. Aber die Reklamationen nehmen zu. Die Firmen wenden sich immer direkter an die Redaktion und den Verlag in Freiburg. Anfänglich wurden sie zurückgewiesen, dann aber wird Scharf nach Freiburg zitiert, er muss sich erklären. Die Verlagsleitung ist unwirsch. BZ-Geschäftsführer Klimsch verärgert: „Jeden Morgen, wenn ich in die Zeitung schaue, frage ich mich besorgt, was hat der scharf heute wieder geschrieben.“ Das Vertrauensverhältnis ist aber zutiefst gestört. Scharf droht mit Kündigung, falls die Verlagsleitung ihm den Pressesprecher der Kreis-CDU Ulrich Bohn in die Redaktion setzt. Scharf verliert.

Nach weiteren Auseinandersetzungen wird Scharf gekündigt. Grund: Redaktionelle Berichterstattung. Näheres wird nicht erwähnt. Mit dem engagierten Anwalt Stechl gewinnt Scharf einen Vergleich. Interesse, bei der BZ zu bleiben, hat er logischerweise nicht mehr. Die Zukunft sieht düster aus: ab und zu mal arbeiten für die STUTTGARTER ZEITUNG, mal was für den Rundfunk, vielleicht bringt der STERN einen Bericht über den Umweltskandal in Rheinfelden.

Der neue Mann – Bohn – kommt. Jahrelang hat Bohn in Lörrach als Gerichtsreporter gearbeitet und so das schlimmste an Gerichtsreportage geliefert, was es hier in der Region gibt. Darüber hinaus war er auch u.a. für die BASLER ZEITUNG aktiv. auch jetzt arbeitet Bohn weiterhin für die BILD ZEITUNG. Die Honoratioren können beruhigt sein: in Rheinfelden gibt es wieder eine saubere Zeitung. Viel Meldungen über Sport und Spiel, den Mächtigen wird nicht mehr an den Karren gefahren, und auch der neue Lokalchef Wickert, bekannt aus Grenzach-Wyhlener BZ-Tagen, vertritt einen Journalismus, der niemand weh tut: angepasst, fade, einfältig.

Als die BADISCHE ZEITUNG in Rheinfelden ihre neuen Geschäftsräume eröffnet, ist man in Teilen der politischen und kulturellen Landschaft empört: Scharf wurde nicht einmal dazu eingeladen. Selbst der Oberbürgermeister beschwerte sich über diesen unfreundlichen Akt. Nach einer Stunde hat der frostige Empfang ein Ende. Die Leser weiterhin nichts vom Abgang Scharfs – keine Meldung, kein Leserbrief.

WAS KÖNNEN GEKÜNDIGTE JOURNALISTEN TUN?
… bleibt nur noch weggehen?

Die Aussicht für die gekündigten Journalisten, hier in der Region einen neuen Arbeitsplatz zu finden, sind gleich null: kritische Journalisten sind bei den drei badischen Zeitungen der Region nicht gefragt. Die Schweizer Zeitungen stellen keine deutschen Redakteure ein. Bleibt die mühselige Arbeit eines freien Journalisten, für überregionale Zeitungen mal was zu schreiben, den einen oder anderen kleinen Auftrag erteilt auch mal eine der Lokalzeitungen. Wer da nicht ein Finanzpolster hat oder einen Partner mit Verdienst, bzw. Geld, dem bleibt im Normalfall nur das Weggehen.

Lediglich Martini sucht sich eigene, durchaus alternative Wege. Im Herbst will er eine eigene „Badische Presse-Agentur“ gründen, die mit 16 Journalisten von Konstanz bis Heidelberg einen Beitrag zu publizistischen Vielfalt im Lande sein wird. Gegen den Trend der Zeit. Außerdem plant er noch einige kleinere publizistische Projekte. Lob gab es von der Landeszentrale für politische Bildung, die Martini einen Preis für vorbildliche Berichterstattung der Schopfheimer Haushaltsberatungen vermachte. Dass die Leser des MT davon nur am Rande erfuhren, wen wundert’s?

Liebe FreundInnen der liberalen Presse Südbadens!

Der ehemalige Redakteur des Markgräfler Tagblatts Bernd Jürgen Martini ist tot.

Wir verlieren in ihm einen weltoffenen Freund der freien Rede und einen kritischen Vertreter des offenen Wortes. Ein großer Zeitungsmann ist von uns gegangen.

In Trauer und Verbundenheit

Dagmar und Dieter Emil Baumert
2003-04-02

Im Namen der Familie Martini und des Freundeskreises: Arnd Brummer
Hamburg 01.04.2003

Der bekannte Medienjournalist Bernd-Jürgen Martini ist tot

Am 29. März erlag in einem Hamburger Krankenhaus der Medienjournalist Bernd-Jürgen Martini den Folgen eines Herzinfarktes. Der 55jährige zählte zum kleinen Kreis der tatsächlichen Experten in Medienfragen unter vielen, die sich nur so nennen.

Martini, 1947 in Lübeck geboren, lernte das Journalistenhandwerk von der Pike auf, arbeitete als Lokaljournalist bei Regionalzeitungen in Baden-Württemberg, bevor er zu Beginn der 80er Jahre in die Medienfachpresse wechselte. Er arbeite unter anderem als Medienredakteur bei Horizont und textintern, wirkte als Sprecher der Verlagsgruppe Bauer und relaunchte als Chefredakteur 1994 das Werbefachblatt w&v. Als Inhaber des Unternehmens MMM beriet Martini Verlage und andere Unternehmen in Medienfragen und entwickelte Zeitschriften und Magazine. 1995 gründete er das Daten-Magazin mediafacts, 1996 den MediaFinder, 1997 den Media Digest, 1998 PR update, 1999 Media update und RelationMedia, 2000 Corporate Publishing Review und Media-Kompass, deren Herausgeber und Chefredakteur er bis zu seinem Tode war. Martini beriet zudem in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wirkte in zahlreichen Fach-Jurien und war Mitglied diverser Beiräte im nationalen wie internationalen Bereich. In zahlreichen Lehraufträgen – unter anderem an der Hamburger Akademie für Publizistik sowie für die Bundeszentrale für politische Bildung – gab er sein enormes Wissen weiter, schrieb insgesamt neun Bücher zum Thema Kommunikation und zeichnete als externer Projektleiter für die Pilotprogramme von Medien-Messen verantwortlich. Martini gründete das Journalisten Jahrbuch und wirkte sieben Jahre als dessen Herausgeber. Bis 2000 gab er zehn Jahre lang zudem das Handbuch PR heraus und war am internationalen Media Register beteiligt.

Martini galt in der Medienbranche als kreativer Kopf, der auch für unlösbar scheinende Probleme noch Lösungswege fand. Früh erkannte er die wachsende Rolle der Kundenmagazine innerhalb eines immer schwerer durch Vertriebserlöse zu finanzierenden Marktes von gedruckten Medien. Gesprächspartner erlebten in als kompetent, verschwenderisch ideenreich, offen, umfassend menschenfreundlich und kontaktfreudig.

Seine enzyklopädische Bildung, sein wacher, niemals verletzender Humor, die Ernsthaftigkeit seiner Zuwendung und sein persönlicher Charme machten den rundlichen Mann mit dem lichten Haarschopf zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit im schnelllebigen Mediengeschäft. Freunde rühmen zudem eine andere Seite seines Wesens. Martini war ein überzeugter Christ und zutiefst nachdenklicher Mensch. Niemand erlebte in je überheblich oder sich anbiedernd. Er behandelte alle Menschen – unabhängig von sozialem Status und beruflichen Erfolg – in der selben höflichen und zuvorkommenden Art.

Um Martini trauern seine Frau, seine achtjährige Tochter und ein großer Kreis von Freunden und Kollegen. Die Trauerfeier findet am kommenden Dienstag, 8. April, 13 Uhr, in der evangelischen Kirche am Niendorfer Markt, die anschließende Beerdigung auf dem Niendorfer Friedhof statt.

Dagmar & Dieter Emil Baumert
Feerstrasse 3
79541 Lörrach
Deutschland
070014081952

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