Große, tragische Frauen, modernes Tanztheater

Gathy Sharp-Premiere in Basel

Von Dieter E. Baumert, Mai 1991

Im ausverkauften Haus in der Kulturwerkstatt Kaserne Basel feierte das Tanz-Ensemble Cathy Sharp die Premiere ihrer Produktion „Les Ages“ und das Publikum am Dienstag Abend feierte mit Klatschovationen minutenlang Tänzerinnen, Musiker und – natürlich – Cathy Sharp.

Fünfzehn Jahre lang gehörte Cathy Sharp zum Basler Ballett, tanzte am liebsten die Julia in „Romeo und Julia“ oder die Frau Wendonck in „Träume“. Sie, die Amerikanerin aus Nashville Tennesee, nahm das Angebot Heinz Spoerlis an, die Balettschule des Basler Theaters zu übernehmen und schafft nun als freie Choreographin und Balettpädogogin in verschiedenen Ländern. Mit ihrer Produktion „Les Ages“ zeigt sie nun in Basel, pünktlich zum Jubiläum einer Nation, daß im Lande, in der Luft und auf der Bühne Veränderung angesagt sind und vermittelt, daß dieses auch sinnlich-wahrnehmbar sind. Der Entwicklung des Ballets jedenfalls nützt es viel.

In „Les Ages“ holt si neben zehn Profi-Tänzerinnen aus der Nordschweiz zwölf Statisten aller Altersgruppen auf die Bühne, die älteste Spielerin ist 72 Jahre, die jüngste elf. Getty Sharp:“Der Mensch kann in jedem Altern tanzen, schweben, fliegen, den Raum ausfüllen, auch wenn man keinen athletisch schönen Körper mehr hat, Tanz, das sind nicht single steps, das ist eine fliessende Bewegung von innen heraus.“

Die Basler Uraufführung zeigte neben dem Hauptepos „Les Ages“ in der Ausstattung von Andreas Tschu die Stücke „Shadow of Myself“ mit Musik von Benjamin Britten, „Musicans Surprise“ und „Winkende Frauen“, nach Zeichnungen von Käthe Kollwitz mit der Musik von James Raynolds. Die Musikerinnen Ruth Waffler, Cello und James Raynolds, Schlagzeug, werden auf der Bühne integriert, teilweise in´s Spiel miteinbezogen. Dr Aufbau der Instrumente findet in der Öffentlichkeit statt, als Teil des Stückes – so erhalten die Instrumente jenen Platz, der ihnen zusteht, sind nicht dunkel versteckt, anonym.

Cathy Shaprs Personen sind meistens tragische, selten komische Figuren. Die Zuschauerin merkt, daß Cathy Sparp ihre Aufgaben immer eher in dramatischen Rollen in der modernen Richtung oder im Ausdruckstanz sieht, nicht im klassischen Ballett. Die Suche nach dem Glück verkommt zum Tanz der Roboter, der oberflächliche Wahn der Jungen nach der Schönheit der Körper wird denunziert und ruft zufriedene Lacher des Basler Premierenpublikums hervor.

Besonders die Frauengestalten der Getty Sharp sind traurige Wesen, Wesen, deren verzweifelte Versuche nach Idendität, unterbrochen von starrem Lachen, im Schütteln, in Krämpfen, im Zusammenbruch endet. Manchmal hilft die schwesterliche Hilfe der Anderen, die diesesmal nicht die Hölle ist, aber kurz danach wieder Konkurrentin, Gegenspielerin wird. Da, wo der Mann auftaucht, drückt er wieder der Frau seine plumpe, alte Melodie auf, hindert sie am eigenen Wachstum, zieht sie zum Sexpüppchen mit afrikanischem Trommeltönen heran. Sie, dem eigenen Willen entfremdet, dreht sich, wie eine Aufziehpuppe, immer schneller, bis sie verzweifelt zusammenbricht, so, als sei die Feder des Püppchens Frau am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts endgültig gesprungen. Klare, scharfe Töne der Musikerinnen aus Basel, Köln, London und New York unterstreichen dies. Ein sehenswertes Musik-Ensemble, ein hörenswertes Musik-Ensemble, auch wenn im lauen Basler Frühlingswetter die schlecht zu lüftenden, dunkle Reithalle der so engagierten Kulturwerkstatt Kaserne sicher nicht der ideale Premierenort ist.

(Tanz Ensemble Cathy Sharp mit “Les Ages” noch am Mittwoch, 29. Mai, Donnerstag 6. Juni, Freitag 7. Juni und Samstag 8. Juni 1991, jeweils 20 Uhr 30, Kulturwerkstatt Basel, Klybeckstrasse 18.)

 

Friedrich Glauser – Collagen der freien Züricher Theatergruppe Coprinius

Von Dieter E. Baumert (gelber Text) unter Verwendung eines Werbetextes von Dorothee Auschra, Redakteurin des Programmheftes Kulturwerkstätte Basel, September 1991

Zum zehnjährigen Jubiläum der freien Zürcher Theatergruppe Coprinius zeigt die Kulturwerkstatt Kaserne in Basel am 27. und 28. September 1991 ab 20 Uhr 30 in der Reithalle das Stück „Glauser, unbekanntes Land“.

Unter der Regie des Ost-Berliner Regieseurs Horst Havemann erarbeitete das Theater Coprinius eine Scenencollage über Friedrich Glauser, den besten Krimiautor, den die Schweiz die letzten 700 Jahre hervorbrachte. Glauser hat mit seinen Wachtmeister Studer-Geschichten eine Alltagsgeschichtsschreibung der Schweiz geliefert, die quer liegt zum glückseeligen Jahrhundertseufzen der Feiern, Empfänge und Galas. Glauser selbst, den Drogenfresser aller Art, der Internierte und Fremdenlegionär wurde zwischen Sucht und Bürokratie aufgerieben und wehrte sich, schreibend, doch immer dagegen.