Fast Glücklich in Klein Moskau von Marco Schwarz bei Amazon
*Fast glücklich in Klein Moskau’ ist der Roman einer Kindheit und Jugend in einer süddeutschen Kleinstadt von 1955 bis 1975.

Old Friends

Ja, die Tage der Kindheit, der Volksschule. Was bleibt davon in meinen Erinnerungen?

Der Schulweg mit Franz, dem Bauernjungen. Und der Schulweg alleine – Friedrichstraße, Güterstraße, die Bergseestraße überqueren, links die Bahnlinie, dann über die kleine Brücke des Schöpfebachkanals, den Kanal auf dem kleinen Weg entlang, dann rechts ist die Vita, dessen Werbeleiter lange Jahre bei uns wohnte, er ein Sammler von alten Spielzeugloks, später, als Lehrling bei Foto-Forstmeyer, sollte er ein gefürchteter Perfektionist sein, wenn es um die Aufnahmen seiner Zahnprothesen ging. Durch den Park des Gymnasiums, wie heißt es, wie hieß es?, Hans Thoma Gymnasium, nein das war später, Lörrach. 17.07: Scheffelgymnasium. Auf dem asphaltierten Weg durch den Park, dann nach links. Schranke: immer war sie zu.

Old Friends. Simon and Garfunkel, bei Youtube

Old Friends

Unser Lieblingslehrer Joachim Preuss mit Hans Peter Frommherz, Franz Egle, Egon Baral, Mitschüler? (obere Reihe von links), und Wolfgang Bächle, Mitschüler?, Pietschmann, Harald Keser (untere Reihe von links nach rechts).
Photo: Dieter Baumert, Säckingen

Warten auf den Zug. Den von Basel nach Singen, oder den von Singen nach Basel oder den von Säckingen nach Schopfheim oder den von Schopfheim nach Säckingen. Östlich davon das Bahnwärterhäuschen mit seiner Schranke vom Osten, Wallbach, Öflingen Richtung Stadt. Marco Schwarz lebte dort dereinst. Das wusste ich damals aber nicht, erst später, aus seinem Roman „Fast Glücklich in Klein Moskau“. Irgendwann geht dann doch die Schranke auf, ich gehe – oder wir, Franz und ich – über den Zebrastreifen – später wird am Ende davon Aldi sein, noch viel später werde ich dort dem jungen Mädchen begegnen, ich kaufe fertiges Käsefondue, und ich grüße sie scheu, Wochen vorher haben wir im Jugendzentrum zusammen Liebe gemacht. Und noch einmal ein paar Jahrzehnte später fahre ich mit dem Auto diese Straße, an der ihr Familienhaus lag und ich sehe eine attraktive Frau und denke, das könnte sie sein.

Dann in den Westen, wieder ein Zebrastreifen. Links im Süden ist der Park mit Wasserfontaine, heißt er Hindenburgpark? Ich weiß es nicht – ich könnte googeln. Die Straße entlang. Gleich zu Beginn der Kiosk. Ewige Verführung. Bazoka Kaugummis, Brausepulver, Colalutscher. Wann kommen wir je daran vorbei ohne schwach zu werden. Zehn Pfennig sind immer da. Die Straße weiter hinten ist dann die Bäckerei. Wenn Mutter kein Brot mitgegeben hat, dann kann ich ab und an dort etwas Süßes kaufen, wenn das Geld reicht.

Dann zur Schule. Wenig Erinnerungen an die Jahre im alten Gebäude – Hohe Räume, riesen Treppenhaus. Die Allee. Später, viele Jahre später, war es 1972?, werde ich dorthin gehen zu einer Veranstaltung der Wiener AAO-Kommune. Die jungen Frauen mit ihren kurzgeschorenen Haaren – komisch in der Erinnerung waren die alle schwarz, werden mich faszinieren. Wichtige Impulse für den jungen Mann, dessen sexuelles Erwachen erst begonnen hat. Viel später dann: kritische Aufarbeitung, Skandale, Presse, Prozesse. Bleibt wieder nur die alte Geschichte, dass ein autoritärer Herrscher sich die Untertanen, auch sexuell, gefügig machte. Vergewaltigungen, Mißbrauch, Zerstörung von Kinderseelen.

Später, wieder Aula Hindenburgschule – was für ein anarchistischer oder radikaldemokratischer Schuldirektor waltete da wohl? – Dietrich Kittner mit deutlicher DKP-Nähe. Ein Ereignis festgebrannt: ein Lehrer, Vater meines späteren Freundes Thomas, jagt mich durch einen Raum der Hindenburgschule. Er gehört zur Fraktion der Ohrenzieher und dann der Backpfeifengeber. Aber verwechsel ich da nicht was? War das nicht mein Lieblingslehrer Joachim Preuss? Ich glaube, ich habe das Jahrzehnte lang verdrängt. Ja, auch er, er hat geschlagen. Der Andere, Thomas Vater, benutzte den Zeigestock. An jenem Tag benutzte er ihn auch. Abends gab es in der Badewanne eine Begegnung mit meiner Mutter. Sie entdeckte die Striemen, sagte „der Lehrer wird schon seine Gründe gehabt haben dafür“ und verschlägt mich noch einmal. Kindliche Argumente waren nicht gefragt. Der Lehrer legte sich Jahre später bei Karlsruhe auf die Schienen und schied aus dem Leben.

Es gab nicht viele Familien, die mich in ihr Leben, in ihr Haus ließen. Manfred Koch, der Sohn des Malers lud mich oft zu sich nach Hause ein. Aber der Vater war bei der Arbeit – war die Oma da? Ich weiß es nicht. Fast alle anderen kamen nur an die Türe und ich an ihre. Als eines Tage Manfred vor meinem Zimmerfenster rief „Dieter, Dieter“, öffnete meine Schwester Traudel das Fenster und rief hinaus: „Rotfuchs – verschwinde!“ Gastfreundschaft sieht anders aus. Zu Achim durfte ich kommen, auch wenn der Vater da war. Dann gab es Geschrei oder auch Prügel. Wir waren froh, wenn wir nicht im Familienort blieben mußten. Auch bei Bicco beim Waldfriedhof war es so. Lag es an elterlichen Verboten oder dem Wunsch nach eigenem Leben von uns Jungs. Einen Jungen gab es, ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen. Er war Schlesier. Zu ihm wurde ich auf seine Geburtstagsparty eingeladen, die damals natürlich nicht Party hieß. Es gab einen Lieblingslehrer, aber sein Name ist mir entfallen, der mir in der Hindenburgschule in Erinnerung blieb. Und dann war in unserer Kiezclique, wie nannten wir das eigentlich?, auch noch ein weiterer Junge, er wohnte zwischen mir und Manfred, den kleinen Seitenweg von der Friedrichstraße ab, gleich nach Manfreds Wohnung nach rechts, Richtung Bahngeleise.

Später, als ich wegen meines Eberle-Nachrufs fünfzehn Minuten berühmt war, wunderte der Lehrer sich seinem Sohn gegenüber, dass so ein stiller Jungen so einen gesellschaftlichen Lärm erzeugen konnte. (7. Julio 2017, bis jetzt, Rest: 17. Julio).

Der Schulraum meiner Erinnerungen ist eine Holzbaracke im Hof der Hindenburgschule. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es vier Holzbauten mit jeweils zwei Klassenräumen, die durch einen Gang in der Mitte getrennt waren. Kein anderer Raum ist so präsent. Dabei kann er nur ein Bruchteil der Schulzeit, meiner Schulzeit gefüllt haben. Die Prügel vom Religionslehrer – sie fanden während des Relgionsunterrichts im Hauptgebäude statt.

Und jener magische Moment, als unser junger (LIEBLINGS) Lehrer Joachim Preuss in der neuen Volksschule neben der neuen Kirche einen transportablen Schallplattenspieler mitbrachte und uns im Musikunterricht Sgt. Pepper vorstellte. Fünfzig Jahre ist das her. Zwei der Fab Four sind schon über den Jordan. Ob er noch lebt – jenes Idol meiner späten Kindheit – neben Winnetou (Pierre Brice) und Old Shatterhand (Lex Barker)?

Es war kein durch und durch harmonisches Verhältnis zwischen uns. Ich sah in seinen Augen und seinem Gesicht die Verachtung des Sportlichen mir gegenüber, dem schwächlichen, unsportlichen Schüler. Wie ich mich mühte, übers Pferd zu kommen, das Reck hochzugrabbeln, wahrscheinlich sah ich aus, wie der Käfer, der auf dem Rücken liegt.

Später, 1975 etwa, habe ich mir das zu Nutzen gemacht und bei der Bundeswehrgrundausbildung in Stetten am kalten Markt den Schwächling gespielt, damit sie mich vom Feld, aus dem Spiel nehmen. Ängstlich waren alle besorgt, dass mir etwas zustoßen könne. Das hätte ihnen gerade noch gefehlt: der zwangseingezogene Kriegsdienstverweigerer stirbt während einer Geländeübung. Als ich so im Staub robbte, äffte mich der Boss von oben an: „Na Baumert – das ist etwas anderes als Flugblätter zu verteilen.“ Es hatte von mir etwas Unfaires an sich. Warum akzeptierte ich nicht die Regeln des Spiels? Warum wollte ich immer eine Sonderbehandlung? Andererseits: Warum nicht? Das Gegeifere der Stubenkameraden (wie man im Militär den Anderen, den Mitmenschen auf gleicher Diensthöhe nennt), weil ich mein Bett nicht so ordentlich gemacht hatte, wie es vorgeschrieben war und sie nun wegen Dir (also: Mir) Gruppenbestrafung befürchteten. Und, da will ich mich gerne wiederholen, dass ich als Einziger die Prüfung der Grundausbildung nicht bestand – da könne ein schwacher Geist sogar stolz darauf sein – ich lache darüber und habe Freude daran.

Aber Lehrer Preuss lobte auch mich – den Schüler, der mit der Vielzahl seiner Fehltage sicher in die Top Five gekommen wäre – hätte es die damals in dem Fach Schule schwänzen / wegen Krankheit gefehlt gegeben. Ich durfte die Strichlisten führen, die er vergab für schlechtes Benehmen etc. Er – und ich kann mich nicht an eine negative Äusserung meiner Mitschüler erinnern – vertraute offensichtlich meiner Ehrlichkeit. Und er war ein großer Förderer meiner schriftstellerischen Arbeit: immer wieder lobt er meine Aufsätze und ermutigte mich damit zur Arbeit im Wortweinberg des Herrn.

In Baden-Württemberg hatten wir zu der Zeit geschlechtlich getrennte Klassen. Ging es bis zur Klasse sechs? Ich müsste googeln. Mir hat das Leben unter Jungs gut gefallen. Dass wir später durch die Wälder zogen oder am Rhein schwammen und spielten, ja natürlich, das war aber schon später, wie wir voreinander wichsten. Achim hätte mich gerne in den Arsch gefickt, aber das Loch war zu klein, mein Lörracher Hausarzt benannte das Jahre später in seiner Anamese ein etwas verengtes Analorgan.

Vielleicht wär es anders gewesen, wenn Mädchen dabei gewesen wären. Vielleicht hätten wir Doktorspiele gemacht, wie im Bremerhavener Norden Dagmar mit ihren Straßenclique es gemacht hatte. Einmal kam die Tochter der Mieterin zu mir in den Schopf – wir versprachen uns auszuziehen. Ich tat es. Aber der kleine Piepmatz erregte sie jetzt nicht so und so blieb sie mir den versprochenen Blick auf ihre Möse schuldig. Ich war noch lange „unschuldig“. – Entjungfert wurde ich erst mit Achtzehn. Als ich in Freiburg in der Kinderklinik war, sah ich einen Jungen mit Haaren um seinen Schwanz. Ich dachte, er hätte eine Fellunterhose an. Als dann die Mädchen in unser Schulleben traten, hatten wir schlechte Karten. Sie machten den Älteren schöne Augen und bestraften uns mit Mißachtung. Nur ein Mädchen, ich weiss gar nicht, ob sie überhaupt bei uns in der Schule war, bemühte sich um mich, besuchte mich im Garten. Ihre Oma hatte ein verwunschenes Haus auf dem Weg nach Obersäckingen. Sie war in meiner Erinnerung die Einzige, die ein freundlichen, zärtlich zurückhaltendes Interesse an mir hatte.

Die Tage des Jugendrotkreuzes waren wichtige Tage. Tage um etwas für die Gemeinschaft zu tun. Auch Tage der Feste, der Feiern mit großem Abschluß einer Corsika-Zeltfahrt. Doch mein erwachtes politisches Interesse wurde nicht geteilt, der Jugendleiter bedauerte das Nichtinteresse, aber so war es und so trennten sich auch hier unsere Wege. Die politisch Wachen, Interessierten waren die Gymnasiasten und sie sollten die Folgejahre meine Freunde und politischen Gefährten werden. Dann öffneten auch jene junge Frauen bereitwillig ihr Schöße – aber das ist eine andere Geschichte.

Dieter Emil Baumert
Beendet, redigiert und korrigiert am 17. August 2017

Die Tage ist mir mein Sozialkunde-Heft aus der Volksschule wieder in die Hände gefallen. Das Heft mit von mir handschriftlich gefertigten Texten beginnt mit Sozialkunde, heißt Gemeinschaftskunde und dann mit „Die Ehe“. Leider gibt es keine Datumsangabe und so bleibt unklar, von wann die Texte sind. Hat sie der Lehrer diktiert, haben wir sie abgeschrieben? Es sind keine kindlichen Texte, sondern klar strukturierte Texte.

Dabei ist mir eingefallen, dass ich auf dem Weg in die Schule auch noch Alternativvarianten hatte. So gab es die Güterbahnhofstraßenstrecke. Ich musste die vielbefahrene Hauptstraße, die Friedrichstraße überqueren und dann Richtung Güterstraße gehen. Ein buckliger Weg führte von der Friedrichstraße zur Güterstraße. Eine große Wiese lag zwischen dem Weg und dem Fabrikgebäude nebenan. Später wollte ich da mal einen Abenteuerspielplatz machen, aber es gelang mir nicht, die dafür notwendige Unterstützung zu organisieren.

Unten angekommen war links das Lokomotivenhaus, in dem die Loks der Bahn gewartet wurden. Heute ist dort eine Moschee. Rechts das Haus, in dem die Bahnbeschäftigten wohnten, Achims Vater war einer davon. Heute im umgebauten Zustand lebt dort die Witwe meines späteren Lehrherrs, des Photographen. Danach kam das große Glasergeschäft, heute ist dort eine Solarfirma zu Hause. Gegenüber der Güterbahnhof. Lastwagen standen davor, wurden ein- und ausgeladen. Dann eine kleine Wohnsiedlung, zweistöckige Häuser. An der Ecke wohnten Türken, heute ist dort ein türkischer Sozialverein zu Hause. Dann kam das große Anwesen von Schnaps-Mutter, dem Säckinger Schnapshersteller.

Faszinierend die großen Hecken, das lange Gitter, das große vergitterte Tor. Ab und an sah ich den Alten aus dem Tor kommen, meist mit seinem Dackel. Einmal jagte der mich, aber ich konnte entrinnen, behielt aber den Respekt vor solch kleinen Hunden. Dann die kleine Schnapsfabrik, heute ist dort eine Kindertagesstätte. Die Villa gibt es schon lange nicht mehr, ein großer Wohnblock wurde dort gebaut, in dem später auch die Mutter der Frau meines Bruders wohnte. Als es dann Schnaps-Mutter nicht mehr gab, war in dem Gebäude eine Zeit lang der Paketvertrieb der Post. Einer meiner Mitschüler arbeitete später darin. Weißt Du noch?

Dann die Kneipe Bahnsteig Fünf. Als Kind spielte sie für mich keine Rolle, aber als Jugendliche waren wir oft dort, es gab wunderbare Bierstängel, ein gut gezapftes Bier oder auch ein gutes Schnitzel. Während meines vorletzten Besuches in Säckingen wurde gerade die Liquidation verkündet, ich hatte mich noch nach einem Telefonbuch erkundigt, weil ich die Telefonnummer meines Webemeisters Marco nicht hatte und hoffte, sie im Telefonbuch zu finden. Aber der hatte seinen Anbieter gewechselt und Marcos Name tauchte nicht mehr im gelben Telefonbuch der Telekom auf.

Welches Haus kam dann? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Später wurde dort ein Lebensmittelmarkt errichtet, meine Mutter war dort jahrelang Kundin. Dann gab es zwei Alternativmöglichkeiten des Weges: Entweder nach links über die Bahnlinie oder geradeaus zum Schöpfebachkanal. Der Weg nach links war meistens mit Warten vor der Schranke verbunden – später wurde eine Fußgängerunterführung gebaut, noch später die Verbindungsstraßen unter die Bahnlinie gelegt, um den Autoverkehr seinen Rollfluss zu gönnen. Das ganze wurde erkauft durch Zerstörung kleiner Einheiten und der Zerstörung gewachsener Bausubstanz.

Ging ich nach links, kam ich am Arbeitsamt vorbei – Jahre später sollte mir dort ein Mitarbeiter die Lehrstelle bei Photo Forstmeyer empfehlen. Es ging weiter, nach links hätte ich ins Stadtzentrum gekonnt oder links zu Müller & Degler, dem großen Lebensmitteleinzelhandel der Stadt mit mehreren Filialen in den Stadtteilen. An der Ecke die alte Villa, eines Tages viele Jahre später, wurde sie abgerissen, jeder konnte noch einmal durch das Haus gehen und sich das holen, was wer wollte. Wieder dachten wir jungen Leute an Hausbesetzung, zu schön wäre das Haus zum Wohnen gewesen. Aber wir taten es nicht. Aber der Verlust der alten Villa wog schwer – später wurde dort ein großes Möbelgeschäft erbaut. Dann weiter, vorbei an einigen Geschäften, dem Malergeschäft Butz und weiter bis zur nächsten Schranke, die ich dann aber rechts liegen lassen konnte, um die Hindenburgschule zu erreichen.

War ich den Alternativweg von der Güterstraße geradeaus gegangen, hin über die kleine Fußbrücke über den Schöpfebachkanal, der auch damals schon seine Farben wechselte, je nachdem, welche Farbe die Färberei im Norden – eine kurze Zeit arbeitete ich dort als junger Mann – gerade zum Stoffe färben gebraucht wurde. Am Ende des Weges konnte ich dann noch einen anderen Weg gehen, indem ich links zu einem weiteren Bahnübergang ging, der Bahnübergang für die Zahnfabrik Vita. Am Ende des Weges, links lag die Deutsche Bank, konnte ich rechts beim Malergeschäft abbiegen. Und um all die Alternativen zu nutzen, konnte ich natürlich auch die ganze Friedrichstraße entlang gehen, irgendwann mußte ich sie überqueren, weil unser Haus an der Friedrichstraße 65 lag ja auf der Nordseite der vielbefahrenen Straße von Basel nach Schaffhausen. Später wurde an der Kreuzung Friedrichstraße – Bergseestraße die Frau unsere Lieblingsalten im Jugendzentrum, Gustav Laasch, mit ihrem Fahrrad tödlich überfahren. Es war also nicht ungefährlich. Ich konnte links zu unserem Metzger gehen und vielleicht ein Wurstbrötchen holen. Ich konnte aber auch weitergehen bis zum Gymnasium und dann links die Straße bis zum Bahnübergang. Ich erinnere mich noch, wie meine Schwester mir geholfen hat, mit dem Fahrrad dorthin zu kommen, mit also zeigte, wie es geht, Fahrrad zu fahren.

Wurde ab dann mein Weg zu Fuss ein Weg zu Fahrrad? Als die Stadt dann eine neue Schule baute und wir umziehen mussten, Mädchen kamen dazu, ich schrieb es bereits, unseren Lieblingslehrer: lernten wir ihn erst dort kennen? Dadurch, dass die neue Schule weiter war, benutze ich mehr das Fahrrad. Die Alternative wurden drastisch reduziert, es gab zur Friedrichstraßenstrecke nur noch ein, zwei Alternativen, die auf Schleichpfaden nördlich der Hauptstraße entlang führten, durch den Park der Mineralquelle und dann unterhalb der Handelsschule und nördlich der Berufsschule, vorbei an dem Gotteshaus der Zeugen Jehovas.

Aber nein, das kam erst später. Zu der Zeit war noch der ganze nördliche Teil oberhalb der späteren Königsberger Straße eine wilde Landschaft mit kleinen Gärten, oft auch wilden Gärten, einem unserer Rückzugsspielorte. Ideales Bauerwartungsland, und so wurde dann auch die Häuser für viele Menschen gebaut, der Hofbauer mit seinen großen Landflächen wurde zugunsten der Allgemeinheit enteignet, bei ihm holte ich immer die Milch mit der Milchkanne, fremde Erfahrungen, die Bauern hatten damals so große Küchen, wie die modernen Hausbesitzer sie heute haben, nur dass damals dort alles standfand, gelebt wurde, gekocht wurde. Wenn ich dort war, konnte ich auch bei Müller & Degler noch etwas für die Familie kaufen, immer vergaß ich die Hälfte, konnte mir die Liste nicht merken. Trotzdem gab es als Dank und Ermutigung für mich den Erlös des Rabattmärkchenheftes. Der Sportunterricht fand aber weiterhin in der Turnhalle statt, das Photo unserer Jungs habe ich dort aufgenommen.

21. August 2017