Weitere Infos, Materialien:
Im September kam ein weiteres kritisches Buch zum 11. September heraus: Ex-Taz-Redakteur Mathias Bröckers Buch ist bei www.zweitausendeins.de erhältlich.
Zum institutionelle Staatsstreich durch Busch, jun. gab es ausführliche Informationen in den Blättern für deutsche und internationale Politik – www.blaetter.de
Der deutsche Aufruf, den Boykott des Irak zu beenden, ist im Netz zu finden unter www.embargos.de/ irak/aktionen/ unterzeichner.htm
Anders, Günter
suche in www.vzab.de
Zur dunklen Rolle Kissingers siehe:
Die Akte Kissinger, Vorabdruck in: www.lettre.de
oder in www.vlb.de
Einige die handeln, statt nur zu reden:
www.aerzte-ohne-grenzen.de
Konradin Kreuzer hat in seiner www.nux.ch einen menschenfreundlichen Vorschlag veröffentlicht, wie den Menschen in Afghanistan auch geholfen werden kann – statt mit Bomben.
„Meiner Ansicht nach hat niemand das Recht zu verlangen, dass Menschen ihr Leben opfern. Wir heben entsetzt die Hände, wenn wir von den Opferriten der Azteken hören, sehen aber nichts Unedles im regelmäßig wiederkehrenden millionenfachen Opfer von Menschenleben im Namen des Vaterlandes, Gottes, der Demokratie oder Zivilisation..
Ich sage nicht, dass Menschen, die im Krieg das letzte Mittel sehen, zwangsläufig schlimmer sind als andere, aber ich sage, dass sie dumm sind und ihnen Weitblick, Großmut und Weisheit fehlen. Wenn sie vom Krieg als der letzten Möglichkeit sprechen, dürfen wir da sicher sein, dass sie jedes andere Mittel zur Bewahrung des Friedens erprobt haben? Ich fürchte, nein.“
Henry Miller
Murder the Murderer, 1944
fuck the war
and also the taliban
Meinen Freunden und Freundinnen in der Friedensbewegung – bin ich ihnen vielleicht inzwischen abhanden gekommen? Auf den Aufrufen gegen den Golfkrieg war mein Name nicht mehr verzeichnet: ich kam mit Frau Dagmar gerade aus Australien zurück, die Welt hatte 1990 Deutschland wegen der friedlichen, erfolgreichen Revolution gefeiert, alle Menschen, ob in Indien, Indonesien, Malaysia oder Australien waren mit uns glücklich – darüber dass diese Revolution der Herzen friedlich verlief, die Mauer weg war – die Menschen vereint. Dass ein diktatorischer Herrscher, wie Saddam Hussein einfach ein Land okkupieren konnte, das widersprach meinem Gerechtigkeitssinn und so demonstrierte ich im Januar 1991 auch nicht unter der Parole "Kein Krieg für Öl", sondern blieb zu Hause. Die Toten wurden durch die neue Kriegsstrategie ausgeblendet, sie waren nicht mehr zu sehen – die Amerikaner hatten von ihrem Fiasko in Vietnam gelernt.
1969 rief ich zur Demonstration gegen den Vietnam-Krieg in Säckingen auf. Einem kleinen Grüppchen las ich Günter Anders Rede zum Vietnam-Krieg vor, dann zogen wir demonstrierend vom Marktplatz durch die Stadt. Die Südkurier-Redakteurin Ursula Groll kommentierte dies mit "zehn kleine Negerlein" mit einer Häme, die sie später ganz ablegen sollte und zu einer der interessantesten Journalistin der Region machen sollte. Am Schlosspark spielte Freund Thomas Herberg mit seiner Band "Out of Focus" bei einem Vietnam-Hearing, und so brachten wir als knapp 20-jährige unseren Protest gegen Napalm und US-Krieg gegen das kämpferische Volk im fernen Asien zum Ausdruck.
In den frühen Siebzigern organisierte ich im KDV- und ZDL-Zentrum Säckingen Beratungen für Kriegsdienstverweigerer. Das für unsere Region zuständige Kreiswehrersatzamt Lörrach war ob seiner registriven Handhabung mit Kriegsdienstverweigerern bekannt, hier kam wirklich noch die blödeste aller Fragen: "Was würden sie denn tun, wenn sie abends im Park mit ihrer Freundin spazieren gehen und ein Mann kommt und greift sie an?". Sie waren so blöd in Lörrach, dass über dieses Amt später die ganze Republik lästerte und lachte und die dachten noch immer, sie müssten Deutschland vor den Russen retten.
Da war es klar, dass ich mit meiner politischen Begründung gegen die Bundeswehr nicht als gewissensfähig angesehen wurde und nicht den Stempel ‚anerkannter Kriegsdienstverweigerer‘ bekam. Die Tage gingen ins Land – ich hatte wirklich anderes im Kopf als Zustellfristen einhalten oder Widerspruchsfristen beachten und so verpatzte ich den zweiten Durchlauf. Eines Tages standen dann die Feldjäger vor der Tür und meine Mutter musste nach all den Jahren der Rebellion ihres Sohnes auch noch erleben, dass ihn die Feldjäger abholten. Sechs Wochen Knast im eher heimeligen Knast von Hechingen, wo ich eine Knastzeitung herausbrachte (Der Anstaltsleiter sagte: "Das brauchen sie doch nicht zu machen, das interessiert die anderen Insassen doch gar nicht.") und meine Freunde vom Lörracher Arbeitskreis Frieden hatten in mir endlich einen, dem sie ihre Solidarität zusenden konnten – witzigerweise erfuhren sie durch das Radio von meinem neuen Standort, da ich an einer Wunschsendung beim Popshop von SWF 3 teilgenommen hatte.
Die Gerichtsverhandlung vor Gericht verlief für alle ungewöhnlich, die versammelte Schulklasse stellte fest, dass ich gar kein Märtyrer bin und der Staatsanwalt wollte mich wegen der mangelnden Schwere des Falles nur zu 4 Wochen verurteilen, was ich durch mein jugendlichfreches Lachen und meinen Ausruf "dann bekomme ich ja zwei Wochen wieder" zu verhindern wusste (ob bewusst, sei mal dahin gestellt).
Die Tage in Stetten am kalten Markt waren ungemütlich. Zur Grundausbildung kam ich zu spät, als fast Fahnenflüchtiger hatte ich das Siegel des Politischen, ein Unikum in einer Gruppe von 18jährigen, die so schnell das Ende ihrer Zeit wünschten, dass ihnen das Einbläuen von Kameradschaft ("Mach gefälligst dein Bett richtig, sonst müssen wir alle drunter leiden") wichtiger war, als mein Protest. Was noch im Knast die langen Haare waren, wurde danach ein hellroter, kurzgeschorener Schopf, gegen den meine Militaristen keine Handhabe hatten und der mich in diesen Monaten zum bevorzugten Objekt der Begierde schwuler Männer machte, denen ich mich aber zivil gut entziehen konnte.
Gleich am ersten Tag nahm mich der Chef in sein Zimmer und teilte mir mit, er sei vom MAD informiert worden, dass ich Mitglied einer kommunistischen Gruppe sei, ob das stimme? Ich entgegnete: nein, ich sei Mitglied im sozialistischen Zentrum, einer Gruppierung im Umfeld des Sozialistischen Büros Offenbachs. Er sagte das sei o.k., ich solle nur darauf achten, dass ich innerhalb der Kaserne keine Propaganda machte. Dies versprach ich. Entgegen meinen Absichten hielt ich das Versprechen, da unsere später gegründete demokratische Soldatengruppe kaum etwas produzierte, zu wenig Interessenten gab es und zu wenig Zeit hatten wir während der Zeit der Grundausbildung.
Der Spiess war ein ganz anderes Kaliber. Er brüllte rum und einmal, wir hatten einen Berg hoch zu robben, ich lag im Dreck und er stand über mir, stellte den Fuss auf meinen Körper und schrie: "Gell Baumert, das ist was anderes als Flugblätter zu verteilen." Ich war sein besonderer Freund, aber all zu hart fasste er mich nicht an, den schmächtigen Jungen und bei längeren Märschen musste ich nur kurz einen Schwächeanfall andeuten, schon wurde ich aus dem Rennen genommen – einen Unfall mit Baumert wollten sie sich nicht gönnen (vielleicht hatte auch der freundliche Chef ihn zur Besonnenheit ermahnt – er war einer der freundlichsten Menschen, die ich in der Bundeswehr traf und bei ihm hatte ich das Gefühl, dass ich vor diesem Soldaten keine Angst haben musste).
Die Stimmung unter den jungen Soldaten war nicht besonders, meist junge Männer aus einfachen Verhältnissen mit wenig Interesse und nicht viel mehr Bildung. Die klügeren aus der Mittelschicht waren gleich Z 2 oder Z 4 geworden und protzten als Offiziere rum, waren aber in der Regel gefühlsmässig primitiv und intellektuell stumpf. In blöden Zoten und doofen Sprüchen machten sie sich über die jungen Soldaten lustig, unfähig, ihre eigene Persönlichkeit zu bilden und als Humanisten den jungen Soldaten ein Vorbild zu sein.
Zum Glück gab es in Stetten am kalten Mark auch eine französische Kaserne, und so verbrachte ich dort meine freien Stunden und es gefiel mir. Die dortigen Soldaten waren noch viel jünger, es waren fast Kinder, aber sie waren freundlich, es gab Musik und es war nicht dieser miefige Druck von erzwungener Gemeinschaft, wie in der deutschen Kantine.
Die Tage in Stetten am kalten Markt gingen vorüber, als einziger bestand ich die Abschlussbildung in der Grundausbildung nicht, es machte mich stolz, das Handwerk zum Töten nicht erlernt zu haben, und so kam ich nach Immendingen. Der Zusammenhalt unter den Soldaten nahm noch mehr ab, jeder drängte an Feierabend nach Hause, auch hier kam eine demokratische Soldatengruppe über ein lockeres Meeting nicht hinaus. Als Sanitätssoldat musste ich alle Übungen mitmachen. Als ich auch mal im Panzer fahren musste, durchgeschüttelt als hilfloses Subjekt, war für mich der Zeitpunkt gekommen, den Rettungsanker zu setzen. Ein angekündigtes Manöver machte mir so viel Angst, dass ich vom vorherigen Heimwochenende gar nicht mehr in die Kaserne ging, sondern stricktemang nach Heidelberg zur dortigen free clinic. Mein Freund Werner Kiefer lebte dort in der legendären Brunnengasse-Kommune, und einer der dortigen Kommunarden war Karl Geck, Psychotherapeut (er zog, witzigerweise später in die Nähe von Bad Säckingen, wie es inzwischen hiess, auf den Hotzenwald, dem Kiez meiner Kinderzeit). Er schrieb mich als Leiter der free clinic krank, die Bundeswehr war sauer, dass ich nicht ins dortige Heidelberger Bundeswehrlazarett ging – aber dies war der Fahrschein für eine Zeit ohne Bundeswehr. Eine letzte Untersuchung in München – ich erklärte dem dortigen Psychologen, dass ich vor lauter Frustration auch eine Waffe nehmen könnte und losballern könnte – und ich war wieder frei.
Der Traum vom Sozialisten in der Bundeswehr war ausgeträumt. Ich hatte dazu beitragen wollen, dass die Bundeswehr eine demokratische Institution wird, dass es in Deutschland nicht jener Art von Militär geben würde, wie in Chile oder Griechenland, die gegen demokratische Volksbewegungen putschten. Klar, die Putschisten waren immer die Fliegereinheiten. Sie bombten den Freiheitswunsch der Völker wieder zurück. Meine Vorbilder waren die Soldaten des Otello Carvallo in Portugal, der dem Volk beistand in seinem Bestreben nach mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit. Jene Putschisten handelten nach Henry Kissingers Devise "Wenn ein ganzes Volk durchdreht und sozialistisch wählt, dann werden wir das unterbinden" – sprach es und lies den Diktator Pinochet auf das chilenische Volk los. Als freier Junge, der wieder Zeit für die Liebe und die Politik hatte, ging ich mit ein paar Illusionen weniger zurück nach Bad Säckingen und bald darauf nach Lörrach.
Die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts waren die Hochzeit der Friedensbewegung. Grosse Ostermärsche im Dreyeckland, die Demos von Bonn und die Menschenkette von Stuttgart ermahnten die Regierenden, die Nato-Nachrüstung abzubrechen und keine neuen Mittelstreckenraketen einzuführen. Die kommunistischen Freunde des Hans Knobloch wussten zu verhindern, dass wir auch die Rüstung im Osten zum Thema machten – der berühmte Minimalkonsens des Krefelder Appells wurde als Meinungsschere benutzt, die gnadenlos Atomkraftwerke, Unterdrückung und Armut in der dritten Welt kappten, von den menschenfeindlichen Verhältnissen in Osteuropa ganz zu schweigen. Der Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter war bei uns im Lädeli, der Pastor Gollwitzer kam vom Ferienhaus im Hotzenwald, wo er mit Altbundespräsident Heinemann Ferien machte, zu unserem Dreyeckland Ostermarsch und redete den Mächtigen ins Gewissen – die Angst vor einem Atomkrieg war allgegenwärtig und wir in einer wahren Volksbewegung dagegen.
Dass die Nato-Nachrüstung mit zum Ende der Warschauer Paktstaaten und des sogenannten realen Sozialismus geführt hat – dies ist ein Treppenwitz der Geschichte, und Helmut Kohl darf ihn gerne noch viele Jahre erzählen, während er wieder die Plastiktüten voller Geldscheine in Empfang nimmt – nur von wem, das will der grosse Dicke aus Oggersheim uns auch dieses Jahr nicht erzählen.