DEB by Dagmar Perinelli

Reise nach Bad Säckingen

15. August bis 17. August 2011

Dieser ist allerdings unpünktlich, die Minuten vergehen, und es wird klar, dass er seinen Anschlusszug in Basel nicht mehr erreichen wird. „So eine Scheiße“, flucht verärgert Roberto. Ein klassischer Fehler – zu kurze Umstiegszeiten. Sagte Emilio, oder denkt er es nur? Sich auf die Pünktlichkeit der deutschen Bahn zu verlassen, das ist allerdings mutig. Schon in den Siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts hatte der Münchner Oberbürgermeister Vogel gefragt, warum es möglich sei, Menschen minutengenau auf den Mond zu bringen, aber nicht die Menschen in München zur Arbeit.
Von Basel wird Roberto anrufen und mitteilen, dass er den Zug nicht erreicht hat. Erst gegen Zweiundzwanzig Uhr dreißig wird ein Liegewagenschaffner sich erbarmen und ihm einen Platz im Zug nach Hamburg anbieten.

Füdlibäck
Der Füdlibäck

„Ja, ich weiß auch nicht, wie ich ihm helfen kann“, sagt Bettina Lachred später, als sie sich in der Stadt wieder treffen. „Wir sind schon mal rumgelaufen. Der Herrn Schaffel mit seinem Hut ist ja nicht zu übersehen“, sagt sie zur Begrüßung. Auf ihre Frage antwortet Emilio: „Sie können ihn ja nach Hamburg fahren.“
Da er nicht in ihr Gesicht sieht, kann er ihren Kommentar nicht lesen.
Man verabschiedet sich herzlich voneinander. Ja morgen geht’s zurück.
„Grüssen Sie Ihre Frau."
Zehn Jahre hat diese Beziehung gehalten. Wenn sie mal nicht mehr wissen sollte, was sie tun soll, wenn die Wochenendflüge mit den Kindern und Easy-Jet in die Metropolen Europas langweilig geworden sind, wenn es reicht mit Makeln, dann wird sie vielleicht eines Tages die Geschichte des Hausverkaufs und in der Folge die Geschichte des Grundstücksverkaufs des Hauses Schaffel, Säckingen, Friedrichstraße 77 / Königsbergerstraße erzählen. Wenn es ihr gelingt, mit leichter Feder das zu Papier zu bringen, was sie dabei erlebte, dann kann das ein Hit werden, wie Jan Weilers „Mama, ihm schmeckt’s nicht.“

„Am Schluss“, sagt sie verschmitzt, „habe ich beschlossen, es sportlich zu nehmen“.
Emilio grinste innerlich. Hätte er einen Oldtimer übrig gehabt, er hätte ihn ihr geschenkt.
Dann ist es schon Zeit für den Schlosspark. Sein Freund aus alten Tagen und sein heutigen Webemeister Marco Weiß wartet, und auch der Ursäckinger Frank Salomon, Sohn des berühmtesten Photographen Säckingens wird aus Karlruhe kommen.

„Ach, ein Ursäckinger“, hatte der Arzt im städtischen Krankenhaus gesagt, als Emilio mit Nierensteinschmerzen ins Krankenhaus musste.
Emilio war es warm ums Herz geworden. Ursäckinger – welche Auszeichnung.
„Ich habe Ihre Mutter oft noch gesehen, als sie auf dem Trottoir lief. Eine wackere Frau", sagte er.

Marco mit Dino
Marco mit Dino

Marco ist mit Hund Dino angekommen, Frank mit Digitalkamera. Vierzig Jahre haben sie sich nicht mehr gesehen. Im WeltweitenWeiterzählforum sind sie sich dann vor Jahren wieder begegnet, auf der Webseite von Emilio, die Marco betreut.
„Du hast mir erklärt, was Pornographie ist“, hatte er ihm eines Tages erzählt und füllte damit ein schwarzes Loch der Erinnerung bei Emilio.
Der einstige Treffpunk der Szene, das Schlossparkcafé, ist nun fest in ostdeutscher Hand. Punkt achtzehn Uhr wird die Kette vorgelegt.
"Nein, Bier haben wir keines mehr. Der Zapfhahn ist schon zu“, sagt der Pächter. Aber eine viertel Stunde später sitzt er und ein Freund von ihm beim Bier zusammen.

Frank mit Digitalkamera
Frank mit Digitalkamera

„Nun, wohin gehen wir?", ist die Frage, und mit Müh und Not gelingt es den beiden, Marco zum Bier in der Gaststätte Zweitracht zu überreden. „Es ist bei mir wie bei Bukowski“, sagt er. „Ich habe eigentlich nichts gegen Menschen, aber ich fühle mich besser, wenn keine da sind."

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